Mönchengladbach Gedichte wie diffuse Wirrträume

Mönchengladbach · Willi Achten vereint in seinem neuen Lyrikband „Corso über dem Wind“ 56 Gedichte. Er schreibt über Landschaften, über den Tod, das Meer, über seine Heimat. Und das tut er auf seine ganz eigene Weise – ohne Punkt und Komma.

 Der gebürtige Mönchengladbacher Willi Achten hat für seine schriftstellerische Arbeit diverse Auszeichnungen – etwa den Düsseldorfer Lyrikpreis – erhalten.

Der gebürtige Mönchengladbacher Willi Achten hat für seine schriftstellerische Arbeit diverse Auszeichnungen – etwa den Düsseldorfer Lyrikpreis – erhalten.

Foto: Heike Lachmann

Im Regen hing ein Lied

und wusch die Steine blank

Zitronen tarnten ihren Duft

mit einem Schirm voll Kuckuckslicht

Im Rinnstein brach ein Schiff

den Nachmittag entzwei

Halbchinesen tanzten mit Violin

und Meskalin gesegnet ein Zittern

flog in ihre blaue Mitte

Dieses Gedicht von Willi Achten gibt Rätsel auf. Der Autor suggeriert, er beobachte in der venezolanischen Hafenstadt Maracaibo eine alltägliche (?) Szene. Von einem Hinterhausausgang aus? Er sieht den Regen, hört ein Lied, beobachtet tanzende Halbchinesen. Das Geschehen wird vor dem Auge des Lesers sichtbar. Und erinnert an einen diffusen Wirrtraum, den wir erleben, wenn wir, bereits einmal aufgewacht, wieder zurückfallen in einen leichten Schlaf mit merkwürdigen Traumerlebnissen. Die uns womöglich den ganzen Tag beschäftigen.

Nach seinem Roman „Nichts bleibt“ über einen erfolgreichen Kriegsfotografen hat Willi Achten jetzt wieder Lyrik veröffentlicht. In seinem Buch „Corso über dem Wind“ sind 56 Gedichte in acht Zyklen versammelt. Die acht Abschnitte benennt er so: Ohne Ufer der Himmel; Captain, mein Captain; Keinem bleibt seine Gestalt; Kamen Stimmen mit dem Wind; Übers Feld rannte ein Wort; Über dem Wind; Hinter dem Blau und Der Geschmack von Regen.

Willi Achten setzt die Kapitel thematisch. Er schreibt über mythologische Themen, über den Tod, das Meer, Landschaften, über historische Vergangenheiten und über seine Heimat. Und das tut er auf seine ganz eigene Weise – ohne Punkt und Komma. Das macht das Lesen seiner Texte zunächst schwierig, dann aber immer spannender, sobald sie sich erschließen. Wo hört ein Satz auf, wo beginnt der nächste? Wo beginnen die Bilder, sich zu vermischen? Der Autor selbst erklärt es so: „Wesentliches Stilelement in den Gedichten ist das Enjambement in all seinen Facetten vom glatten über das harte bis hin zum morphologischen Enjambement und den sich daraus ergebenden Doppelbezügen durch den Aufbau einer Scharnierstelle am Zeilenende.“

Bisweilen kommen die Gedichte harmlos daher. Scheinen auf den ersten Blick wie schwärmerische Naturbeobachtungen. Bis sich Irritationen einstellen. Diese Gedichte erschaffen surreale Bilder im Kopf des Lesers. Er versucht, die Bilder zu entzerren, die Zusammenhänge zu erschließen. „In den Gedichten werden Bilder zu Bildketten verwoben, die sich teilweise durch den gesamten Text ziehen. Der Eindruck einer Bildkette oder Bildfolge entsteht durch den Einsatz von Worten, die die Scharnierwirkung zwischen zwei Bildern und zwei Zeilen auslösen und herstellen können und dadurch die Wirkung des Zeilenbruchs nutzen“, so beschreibt der Autor seine Vorgehensweise.

Es ist bereichernd, Willi Achtens Gedichte zu lesen. Gern auch zweimal. Oder dreimal.

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