Holocaust-Oratorium Musikalisch mit den Opfern gefühlt

Leverkusen · Holocaust-Oratorium „I Believe“ von Zane Zalis mit vielen Mitwirkenden aus der Region im Erholungshaus.

 Das Oratorium „I Believe“ des Kanadiers Zane Zalis braucht die große Bühnenbesetzung.

Das Oratorium „I Believe“ des Kanadiers Zane Zalis braucht die große Bühnenbesetzung.

Foto: HaWa, Material der Staatsoper Lodz

Der bewegendste Moment war wohl der leise Abschluss des Konzerts im Erholungshaus mit so vielen aufwühlenden und dramatischen Steigerungen. „I believe…“ sang eine zarte Kinderstimme. „Ich glaube“ als Ausdruck der Hoffnung auf eine Zukunft ohne Weinen, Furcht und Hass. Denn das ist die wesentliche Botschaft, die der kanadische Komponist Zane Zalis durch sein Oratorium über den Holocaust mitgeben möchte. Bleiben müsse der Glaube und die Kraft der Menschlichkeit, sagt der Sprecher (Stefan Müller-Ruppert) vor dem großen Finale, bei dem noch einmal das ganze Orchester, Chor, Solisten und auch die Kinder gemeinsam auftreten.

Das wird den fast 200 Mitwirkenden im Gedächtnis bleiben, nachdem sie 90 Minuten lang mit den Opfern des Holocaust gefühlt und gelitten haben. Was damals während der Naziherrschaft geschah, wurde vom Sprecher in wenigen Sätzen mit Zahlen, Daten und Fakten jeweils zwischen den zwölf Teilen der Komposition sachlich und distanziert vorgetragen.

Die Texte der Chor- und Sologesänge dagegen vermittelten das Geschehen aus Sicht der Opfer beziehungsweise Täter, empathisch vermittelt durch die Musik von Zane Zalis, die in keine der üblichen Genre-Schublade passt. Es ist kein klassisches Oratorium, trotz der formalen Anlage mit erzählenden Zwischentexten und emotionaleren Vokal-Teilen, die Chöre und Solisten in die betrachtende Rolle versetzen.

Die Soli von Kelsey Cowie, die bereits vor zehn Jahren die Uraufführung in Winnipeg und die internationalen Folgeaufführungen sang, des Tenors Jean-Pierre Quellet und von Marko Zeiler, die sich häufig über de Chorpassagen legen, entsprechen eher der Gattung Musical.

Die Chöre sind - von flüsternd bis schreiend - lautmalerisch angelegt, was den Zuhörern besonders unter die Haut ging. Gleich zu Beginn, als sie stockend fragten „Why God, oh God why?“ angesichts zerbrochener Scheiben und eingetretener Türen der Reichspogromnacht 1938. Oder als sie mechanisch die Nummern aufzählen, die ihre Namen und damit Persönlichkeit ersetzen, denn: „Numbers die so easily“ (Nummern sterben so leicht). Oder als sie am Ende ratlos hauchen „What now?“, weil sie Heimat und Familie verloren haben und nicht wissen wohin.

Besonders berührten die Kinderstimmen des Leverkusener Kinder- und Jugendchores, die sich in die Situation der betroffenen Kinder hineingespürt haben und fragen „Was haben wir getan, was gesagt, dass sie uns so sehr hassen?“ Nach diesem bedrückenden Auftritt der Jüngsten war es wichtig, dass sie zum Schluss auch den Hoffnungsgedanken weitertragen durften.

Die Bayer Philharmoniker haben bei diesem Projekt unter der Gesamtleitung von Bernhard Steiner sämtliche Emotionen spürbar gemacht mit filmtauglicher Musik, die - alle Farbnuancen eines großen Orchesters ausnutzend - illustrativ, beschreibend und mitreißend gespielt. Niemand im Saal konnte sich zurücklehnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort