Theater Krefeld im Einsatz für Flutopfer Die Krippe der Hoffnung

Krefeld · In den Werkstätten des Theaters entsteht eine große Kirchenkrippe für St. Maria Himmelfahrt in Stolberg. Bei der großen Flut ist die Kirche verwüstet worden, der Krippenaufbau zerstört. Ein wichtiger Akt der Solidarität.

 Das Herzstück der Krippe ist die Stallszene. Die Figuren aus dem Erzgebirge sind 80 Zentimeter hoch.

Das Herzstück der Krippe ist die Stallszene. Die Figuren aus dem Erzgebirge sind 80 Zentimeter hoch.

Foto: Ansgar Weigner

Die Bilder werden noch lange im Kopf bleiben. Als Ansgar Weigner  nach der großen Überschwemmung im Sommer das erste Mal in die Stolberger Kirche St. Mariä Himmelfahrt trat, war er erschüttert. „Es war wie an der Nordseeküste. Die Kirche war komplett geflutet. Alle Bänke waren angehoben und in eine Ecke gedrängt worden“, berichtet er. Die Kirche steht an der Salmstraße, der Haupteinkaufsstraße von Stolberg, nur wenige Meter weiter fließt der Vichtbach.  

Dass hier lange Zeit keine Messe mehr gefeiert werden würde, war ersichtlich. Doch die Auswirkungen kamen erst nach und nach ans Licht. Auch die Krippe war komplett zerstört. Ein Tiefschlag: „Eine Krippe ist  etwas sehr Emotionales, auch für nicht Gläubige und Menschen, die mit der Institution nichts zu tun haben wollen. Gerade in der Weihnachtszeit kommen viele Familien. Und diese Krippe ist etwas Besonderes.“  30 Quadratmeter groß und mit handgeschnitzten Massivholzfiguren aus dem Erzgebirge, jede etwa 80 Zentimeter hoch. Deshalb hat den Regisseur die Solidarität sehr gerührt: „Das Theater Krefeld Mönchengladbach hat spontan seine Hilfe angeboten“, berichtet Weigner. Am Totensonntag sind Chordirektorin Maria Benyumova und ein Teil des Opernchores nach Stolberg gereist, um mit dem leidenschaftlichen Organisten Weigner einen Gedenkgottesdienst für die Opfer von Flut und Corona zu gestalten.  Jetzt kam das Angebot vom Niederrhein, die Krippe neu zu bauen.

 Seine letzte Arbeit vor dem Ruhestand: Martin Dreyer in der Theaterwerkstatt mit dem Krippenmodell. Das Original wird 2,20 Meter hoch.

Seine letzte Arbeit vor dem Ruhestand: Martin Dreyer in der Theaterwerkstatt mit dem Krippenmodell. Das Original wird 2,20 Meter hoch.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

„Für so eine Aufgabe ist eine Theaterwerkstatt notwendig“, sagt Weigner, der an den Vereinigten Bühnen mehrere Opern inszeniert hat wie „Die Liebe zu den drei Orangen“ und „Rusalka“.  Denn die Krippe muss massiv wirken, aber leicht sein und in Teile zerlegbar für Transport und Lagerung. Sie ist knapp 17 Meter breit und 2,20 Meter hoch. 15 Figuren stellen die etwa ein Quadratmeter große Stallszene, Ochs, Esel und ein Kamel. Dass die Figuren im Turm gelagert waren und so vor den Fluten geschützt, ist ein großes Glück. Den ebenerdig aufbewahrten Aufbau hat das Wasser völlig zerstört. „Die Krippe gehört zur Kirche, seit ich denken kann, mindestens 40 Jahre.“ Die Figuren haben über die Zeit gelitten, Finger sind abgebrochen, Füße beschädigt, Gewänder matt geworden. Ein Experte in Eschweiler wird sie restaurieren. „Würde man sie heute erwerben, wären sie etwa 40.000 Euro wert“, schätzt Weigner. Sein Anspruch: „Es soll die schönste und größte Krippe im ganzen Bistum werden und ein Highlight der Krippenwanderroute.“

 In das Modell sind die Figuren als Fotografie eingebaut. Die gesamte Breite des Originals beträgt fast 17 Meter.

In das Modell sind die Figuren als Fotografie eingebaut. Die gesamte Breite des Originals beträgt fast 17 Meter.

Foto: Ansgar Weigner

Bühnenbildner Robert Schrag, mit dem Weigner oft zusammenarbeitet, hat den Entwurf gemacht. „Uns ist der Bezug zu Stolberg wichtigt“, sagt Weigner. Deshalb wird es wieder einen echten Wasserlauf geben, die Türmchen der benachbarten Kirchen und auch der Schiefer sollen sich wiederfinden - und das Galmeiveilchen. Diese seltene Veilchenart wächst nur auf schwermetallischen Böden in der Umgebung von Aachen - wie der ehemaligen Kupfermeisterstadt Stolberg.

In den Theaterwerkstätten in Fischeln steht das Modell. Die Krippenfiguren sind abfotografiert und zweidimensional, aber maßstabsgetreu eingesetzt. Es ist die erste Krippe, die hier entsteht. Eine Premiere. „Es ist schön, etwas zu schaffen, was lange Zeit überdauern wird und nicht nur ein bis zwei Spielzeiten“, findet Werkstättenleiter Dirk Peltzer. Anfang des Jahres sollen die Arbeiten beginnen, die in den normalen Produktionskreislauf eingebunden werden. „Keine große Sache“, meint Peltzer. „Unsere Bühnenbilder sind sechs, sieben Meter hoch. Da ist die Krippe mit 2,20 Metern für uns quasi ein Modell.“ Für seinen Mitarbeiter Martin Dreyer, der im Sommer in Rente geht, wird es die letzte Arbeit sein - eine Hinterlassenschaft. Bis dahin wird die Konstruktion stehen und vor Ort kontrolliert, ob alles passt. „Es ist eine alte Kirche. Da kann man sich nicht auf die Maße verlassen. Die Stufen zum Altar, die integriert sind, können unterschiedlich hoch sein.“ Danach übernehmen die Bühnenmaler.

 Viel Holz, Theaterlatten und Schiefer werden für die Krippe verbaut. Aber alles muss leicht händelbar sein.

Viel Holz, Theaterlatten und Schiefer werden für die Krippe verbaut. Aber alles muss leicht händelbar sein.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Zu Beginn der kommenden Adventszeit soll die Kirche wieder eröffnet werden - mit der Krippe, deren Figuren den Bibelstellen entsprechend immer umgestellt werden. Ein Zeichen der Hoffnung.

 Die Entwürfe für die neue Stolberger Krippe hat der Maler und Bühnenbildner Robert Schrag gemacht.

Die Entwürfe für die neue Stolberger Krippe hat der Maler und Bühnenbildner Robert Schrag gemacht.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Denn rund um St.Mariä Himmelfahrt ist das Leben auch ohne Naturkatastrophen schwierig. „Es ist ein ehemaliges Arbeiterviertel und heute ein fast rein muslimisches Gebiet. Die Kirche steht an der Hauptgeschäftsstraße, doch die ist derzeit tot. Alle Läden sind zerstört.“ Die Kirche soll wieder für die Hoffnung stehen, Treffpunkt sein. Denn es ist die Hauptkirche im Gemeindeverband von sieben Kirchen. Es ist nicht die älteste, 1855 erbaut - St. Lucia in der Altstadt geht zurück auf die Burgkapelle aus dem 14. Jahrhundert. Aber die Himmelfahrtskirche steht unter Denkmalschutz: „Im Zweiten Weltkrieg ist sie unter Artilleriebeschuss  zerstört worden. Beim  Wiederaufbau hat man aus Munitionskisten des ,Dritten Reichs’ die Zwischendecke eingezogen“, erzählt Weigner. Ein Symbol fürs Überleben.

Das soll künftig wieder viele Menschen ansprechen.  „Ein Glühweinstand und Programm sollen einen Anlaufpunkt für Familien im Advent bilden.“ Und Spenden bringen, denn die Kosten von etwa 20.000 Euro müssen refinanziert werden.   

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