Kultur Mondrian-Streit: Spur führt ins MoMA

Krefeld · Der Streit über die Rückgabe der Mondrian-Bilder an US-Erben geht weiter: Der deutsche Anwalt wirft der Stadt vor, Recherchen über die Herkunft der Meisterwerke aus dem Kaiser-Wilhelm-Museum zu behindern. Eine schillernde Rolle in der Kriminette spielt der damalige Museumsdirektor Paul Wember — die Rede ist von einer „Schwarzkasse“.

 Zwei der umstrittenen Bilder Piet Mondrians aus dem Besitz des Kaiser Wilhelm Museums.

Zwei der umstrittenen Bilder Piet Mondrians aus dem Besitz des Kaiser Wilhelm Museums.

Foto: Kaiser Wilhelm Museum, Sammlungspräsentation, 1980er Jahre (Credit: Kunstmuseen Krefeld, Volker Döhne)

Im Archiv des Museums of Modern Art in New York lagert ein Brief des Düsseldorfer Galeristen und Kunsthändlers Alexander Vömel (Foto rechts). In dem Schreiben auf dem Briefbogen eines Hotels ist die Rede von einem Mann, der über neun Bilder des bekannten niederländischen Künstlers Piet Mondrian verfügt und eines oder einige davon gerne gegen Arbeiten von Paul Klee tauschen wolle. Der Name des Mannes aus der Nähe Düsseldorfs ist nicht genannt. Es handele sich dabei um den Krefelder Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums, Paul Wember, glaubt der Berliner Rechtsanwalt Gunnar Schnabel, der die Interessen der Witwe und Kinder des Erben des Nachlasses von Piet Mondrian aus den Vereinigten Staaten in Deutschland vertritt.

Gerichtet ist die Notiz Vömels vom Juli 1951 an Curt Valentin, der die erste posthume Ausstellung mit Werken Paul Klees in New York organisiert hat. Diese und andere Spuren sind für Schnabel Indiz genug, schon jetzt davon auszugehen, dass Wember an allen städtischen Gremien vorbei eine schwarze Kasse geführt habe, die er zwischen 1950 und 1953 aus den Erlösen der Verkäufe von mindestens vier Bildern Piet Mondrians fütterte. Anders als in den Inventarlisten des Kaiser-Wilhelm-Museums erst 1954 vermerkt, habe es keine Tauschgeschäfte gegeben.

Die als Gegenleistung aufgeführten Blätter von Picasso, Brauque und anderen seien gekauft worden. „Die Belege dafür liegen uns vor“, sagte Schnabel. Darüber hinaus habe Wember die Unverfrorenheit besessen, höhere Preise in die Inventarliste einzutragen, als er tatsächlich gezahlt habe. Es gebe Unterlagen, die zeigen, dass Wember auf eine Stückelung der Rechnungen gedrängt habe, um die Genehmigungspflicht der Käufe durch städtische Gremien zu umgehen. „Dieses systematische und komplexe kriminelle Verhalten eines verbeamteten städtischen Museumsdirektors ist — bisher — in der deutschen Nachkriegsgeschichte singulär“, erklärte der Jurist. Es sei schon jetzt an der Zeit, die Ernennung Wembers zum Professor ehrenhalber und  zum Ehrenbürger der Stadt Krefeld sowie die Unterhaltung eines Ehrengrabes durch die Stadt Krefeld auf den Prüfstand zu stellen, meinte er.

 Piet Mondrians Bilder werden heutzutage hoch gehandelt.

Piet Mondrians Bilder werden heutzutage hoch gehandelt.

Foto: Wikimedia Commons

Bei seinen Nachforschungen in Krefeld sei er kaum unterstützt worden. Dr. Monika Tatzkow durfte zwar an vier Tagen städtische Unterlagen einsehen, sei bei einem zweite Recherchewunsch aber gnadenlos ausgebremst worden. Das ursprünglich für zwei Tage eingeräumte Besichtigungsrecht sei auf einen Tag reduziert worden. Statt der detailliert vorab benannten rund 45 Akteneinheiten habe sie nur sechs einsehen dürfen, sagte Schnabel.

Das Krefelder Rechtsamt habe im März dieses Jahres behauptet, dass acht Bilder Schenkungen Piet Mondrians an das Museum seien. „Das ist allein durch die lebenslange Praxis widerlegt“, betonte Schnabel und beruft sich auf das durch Joop Josten erstellte Werkverzeichnis des Künstlers.

Der Streitwert bei dem Verlangen nach Rückgabe der vier Krefelder Mondrian-Bilder und einer Ersatzleitung für vier bis fünf weitere, nicht mehr auffindbare Bilder an die Erben beträgt laut Schnabel etwa 300 Millionen Euro. Er habe den Oberbürgermeister mit Datum 28. Juli angeschrieben und die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht. „Von dort gibt es keine inhaltliche Stellungsnahme“, berichtete Schnabel.

Stadtsprecher Christoph Elles informiert auf Anfrage unserer Redaktion zum aktuellen Stand in Sachen „Erstattungsansprüche Mondrian“, es gebe keinen neuen Sachstand. „Wir müssen die Ergebnisse der Provenienzforschung abwarten.“

In Kürze bekomme die Stadt Krefeld Post von New Yorker Anwälten, kündigte Schnabel an. Die Stadt hat sich in der Sache juristischen Beistand bei dem Berliner Experten Peter Raue gesucht. Der Rechtsanwalt sieht die Stadt Krefeld bei einer Klage in Deutschland auf der sicheren Seite. Ein Anspruch auf Herausgabe der Bilder Mondrians an die Erben sei verjährt, erklärte er unlängst. Für eine Klage in den USA habe sich die Stadt die Dienste einer Partnerkanzlei Raues vor Ort gesichert, berichtete der Stadtsprecher vor Monaten.

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