Krefelder Jahresrückblick Das Abenteuer des Jahres

Krefeld · Wenn Verena Würz nach ihrem persönlich größten Abenteuer des Jahres 2019 gefragt wird, dann dürfte ihre Antwort rasant schnell erfolgen: Sie war Crew-Mitglied auf der „Sea-Watch 3“, deren Kapitänin Carola Rackete im Juni mit dem Schiff und 40 Migranten an Bord unerlaubt in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa gefahren ist.

 Verena Würz mit Dan Bebawi, dem Bootsmann der „Sea-Watch 3“. Die 25-jährige Medizinstudentin war im Juni an Bord des Rettungsschiffs, das im Mittelmeer kreuzte und in Lampedusa festgesetzt wurde.

Verena Würz mit Dan Bebawi, dem Bootsmann der „Sea-Watch 3“. Die 25-jährige Medizinstudentin war im Juni an Bord des Rettungsschiffs, das im Mittelmeer kreuzte und in Lampedusa festgesetzt wurde.

Foto: privat

Daraufhin wurde Rackete von den italienischen Behörden festgenommen und unter Hausarrest gestellt. „Es war eine Notsituation, dass wir an Land gegangen sind, und keine einsame Entscheidung unserer Kapitänin. Die Lage drohte aus dem Ruder zu laufen“, erzählte die angehende Medizinerin, die noch studiert und daher nicht als Schiffsärztin, sondern in der medizinischen Abteilung der „Sea-Watch 3“ im Einsatz war.

Der Einsatz auf der Sea Watch war ihre erste Mission bei der Seenotrettung, am 5. Juni ging es für sie an Bord. „Es hat mich wahnsinnig gemacht, dass immer mehr fremdenfeindliche Äußerungen auch in der Politik gebilligt werden. Ich wollte mich klar dagegenstellen.“ Dass die 25-Jährige selbst Taucherin ist und im Studium als Notfallmedizinerin gearbeitet hat, gab den Ausschlag, sich für den Einsatz zu bewerben.

Mit den Migranten, die die „Sea-Watch 3“ vor der libyschen Küste aus dem Meer gezogen hatte, kam sie täglich in Kontakt. Sie spürte die psychische Belastung und Verzweiflung der Menschen, die sahen, wie nah eine mögliche Rettung war und doch so weit entfernt, weil das Schiff nicht anlegen durfte. „Wir konnten das Land sehen, und um uns herum waren ständig Boote mit Sicherheitskräften. Die Menschen an Bord haben mit Uniformierten schlechte Erfahrungen gemacht. Das machte die Situation zu einer enormen Belastung. Außerdem war es auf dem Deck tagsüber extrem heiß. Trotz vielen Trinkens hatte ich jeden Abend Kopfschmerzen, weil ich dehydriert war“, berichtete die junge Frau, die seit Jahren für den Crefelder HTC in der zweiten Feldhockey-Bundesliga spielt. „Ich hatte den ganzen Tag damit zu tun, Verletzungen zu dokumentieren und zu behandeln, die eindeutig auf Folter zurückzuführen sind. Als wir die Menschen an Bord genommen haben, war ein Boot der libyschen Küstenwache in der Nähe und hielt auf sie zu. Mir haben viele von ihnen gesagt: Wären sie vor euch da gewesen, wäre ich ins Wasser gesprungen. Es sind fast alles Nichtschwimmer. Sie sagten, sie seien lieber tot als wieder in Libyen“, sagt sie.

Zu solch grausamen Geschehnissen zählt auch die Reaktion der Menschen an Land. „Nach dem Anlegen haben uns viele Menschen böse beschimpft. Das war purer Hass. Schlimm war, dass die Polizei nichts gegen diese Leute getan hat. Zwar gab es Gegendemonstranten, aber die kamen nicht gegen die anderen an. Es gab sogar Morddrohungen“, erzählt Verena Würz erschüttert. „Tod den Schleppern“, oder „Hoffentlich vergewaltigen die Neger euch direkt an Bord“ habe die Menge gerufen, schildert sie jene Erlebnisse, die sie niemals wieder vergessen wird.

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