Krefeld Erstmals Ehrenamtler als Ersatz-Omas

Krefeld · Ein neues Projekt namens Wellcome vermittelt in Krefeld ab sofort Frauen in Familien mit Neugeborenen. Der Krefelder Kinderarzt Daruk Marsan beobachtet mit Sorge, dass immer mehr Mütter von Neugeborenen hilflos und unerfahren sind.

 Birgit Aust, Vorsitzende des Krefelder Kinderschutzbundes, sprach gestern beim offiziellen Empfang.

Birgit Aust, Vorsitzende des Krefelder Kinderschutzbundes, sprach gestern beim offiziellen Empfang.

Foto: Thomas Lammertz

Familien können in Krefeld ab sofort in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes Hilfe durch eine Ehrenamtlerin erhalten. Antje Siegert vom Kinderschutzbund hat in Krefeld das Projekt "Wellcome" etabliert. Die Grundidee: Ehrenamtler entlasten Mütter, die nach der Geburt in der Woche einige Stunden für sich benötigen. 2002 wurde das inzwischen mehrfach ausgezeichnete Projekt "Wellcome" in Hamburg gegründet, mittlerweile gibt es 250 Teams dieser Art mit 4000 Ehrenamtlern in Deutschland. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Vor wenigen Wochen hatte Antje Siegert per Zeitungsaufruf in Krefeld nach Ehrenamtlerinnen gesucht. "Ich dachte, es würden sich zwei oder drei Frauen melden, doch es meldeten sich 25. Ich war überwältigt." Mit allen führte sie Gespräche — 17 Frauen wurden ausgewählt. Zehn von ihnen sind bereits in Familien unterwegs, vier davon bei Zwillingen. "Wir sortieren nicht nach Einkommen und Bildung. Bei uns wird denen geholfen, die kein Netzwerk haben", sagt Siegert. Zweimal pro Woche für einige Stunden kommen die Helferinnen in die Familien. Sie wachen in den Schlafphasen der Kinder, so dass sich die Mütter erholen können. Sie kümmern sich um das Geschwisterkind oder begleiten bei Gängen zum Kinderarzt. Monika Hanßen vom Kinderschutzbund ist die Koordinatorin von Wellcome in Krefeld — sie hält Kontakt zu den Ehrenamtlerinnen, berät auch die Familien.

Zur gestrigen Eröffnung des Projektes am Wellcome-Standort Mühlenstraße 42 sprach auch der Krefelder Kinderarzt Daruk Marsan — es waren warnende Worte: "Wir Ärzte sehen jeden Tag in den Familien immer mehr unerfahrene Mütter, die keine Oma mehr zur Seite haben. Wir sehen die Überforderung in den Gesichtern. Wir sehen auch, wie sich das auswirken kann auf das Kindeswohl." Die Unterstützung durch Wellcome nannte er "unbürokratisch und niederschwellig."

Rose Volz-Schmidt hat das Projekt Wellcome erfunden — auch sie sprach gestern. Als sie selbst Mutter wurde, habe sie eigentlich sofort wieder in den Beruf einsteigen wollte, doch sei sie an die Grenzen der Belastbarkeit geraten. "Genießen konnte ich nicht, ich war nur mit Existieren beschäftigt." Für Mütter sei es heute nach der Geburt eher noch schwieriger geworden, sagt sie: "Es gibt kaum noch Unterstützung durch Großfamilien, es gibt reglementierte Hebammenbegleitung und 48 bis 72 Stunden nach der Geburt verlassen die Mütter heute das Krankenhaus." Auch Britta Oellers, CDU-Ratsfrau und junge Mutter von Simon Clemens (11 Monate), bestätigte dies: "Wenn ein das erste Kind bekommt, kann man sich noch so viel anlesen, es kommt doch alles anders." Sie selbst habe Unterstützung durch die Familie. "Dafür bin ich dankbar. Aber es gibt viele Mütter, die das nicht haben."

Auch das NRW-Familienministerium begrüßt die Etablierung von Wellcome in Krefeld. Andrea Hankeln, Referatsleiterin im Ministerium, sagte gestern: "Im Bereich der Frühen Hilfen ist Ehrenamt noch unüblich." Im neuen Projekt werde auch das zunehmende Bedürfnis von Ehrenamtlern deutlich, direkt zu helfen, ohne großen theoretischen Überbau durch einen Verein.

(RP)
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