Interview: Kaarst "Wojtyla wünschte sich Ratzinger"

Neuss · Der Vatikan-Korrespondent gehört zu den sechs Journalisten, die Papst Benedikt XVI. auf seinen Reisen begleiten dürfen. Jetzt liest Englisch in Kaarst.

 Andreas Englisch liest am kommenden Freitag in der Rathausgalerie in Kaarst. Der Eintritt kostet 10 Euro.

Andreas Englisch liest am kommenden Freitag in der Rathausgalerie in Kaarst. Der Eintritt kostet 10 Euro.

Foto: Andreas Endermann

Kaarst Eigentlich ging Andreas Englisch 1987 nur nach Rom, um Italienisch zu lernen. Er blieb als Vatikan-Korrespondent. Am 9. November, 20 Uhr, liest er beim "Dialog Zukunft" der VHS aus seinem Buch "Benedikt XVI. — der deutsche Papst".

Herr Englisch, als einzigerBeobachter des Konklaves haben Sie 2005 auf Joseph Ratzinger getippt.

Englisch Papst Johannes Paul II. hatte sich Ratzinger als Nachfolger gewünscht. Nur über Ratzinger schrieb er als "seinen bewährten Freund". Außerdem wünschte sich Karol Wojtyla einen deutschen Papst, der sich auch der problematischen Geschichte der deutschen Katholiken im 2. Weltkrieg stellt. Er hat aber ganz offensichtlich die natürliche Scheu unterschätzt, die Benedikt XVI. das Amt so schwer macht.

Als Vatikan-Korrespondent haben Sie in 25 Jahren nur zwei Päpste erlebt: Worin unterscheiden sich Johannes Paul II. und Benedikt XVI.?

Englisch Der Unterschied ist enorm. Karol Wojtyla war ein sehr willensstarker Mann. Er war ein Papst, der auch mal schrie oder auf den Tisch hauen konnte, wenn es notwendig war, ein Boss, der alles entschied und mit dem Kopf durch die Wand gehen konnte. Benedikt XVI. ist ein Papst, der bewusst schwach ist, sich ganz klein macht, sehr viel Macht dem Staatssekretariat überlässt, kein Mann, der auf den Tisch haut.

Und welche Gemeinsamkeiten gibt es?

Englisch Beide Päpste sind vor allem zutiefst fromme Männer, die sich stundenlang ins Gebet versenken. Sie glauben, eine globalisierte Kirche aufbauen zu müssen, die sich weniger auf Europa konzentriert und mehr auf die ganze Welt.

Muss sich etwas ändern in der katholischen Kirche?

Englisch Vieles muss sich ändern und ändert sich gerade. Die Bischofssynode hat klargestellt, dass Schluss sein muss mit der Ächtung von Geschiedenen, die wieder heiraten. Für den katastrophalen Priestermangel in Europa muss eine Lösung gefunden werden. Die Versetzung von Priestern aus anderen Ländern nach Deutschland, um leere Stellen zu besetzen, ist keine Lösung. Die Stellung der Frauen innerhalb der Kirche muss drastisch aufgewertet werden. Der Ausschluss bekennender Homosexueller aus der Kirche muss ein Ende haben.

Der Vatikan ist ein eigenständiger Staat. Welche Rolle spielt die Politik?

Englisch Sehr viel. Gorbatschow hat gesagt, dass ohne Papst Johannes Paul II. die Berliner Mauer nicht gefallen wäre. Die Bemühungen um Freiheit in Polen und die Unterstützung der Solidarnosc-Gewerkschaft durch den Vatikan haben sicher dazu beigetragen, den Lauf der Geschichte Europas zu beeinflussen. Benedikt XVI. ist jedoch ein weit weniger politischer Papst als sein Vorgänger und handelt in der Außenpolitik glücklos. Ausgerechnet US-Präsident George W. Bush mit außergewöhnlichen Ehren zu überhäufen, war sicherlich ein Fehler.

Stefan Reinelt führte das Gespräch

(NGZ/rl)
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