3-Städte-Depot in Hückeswagen Die Arbeit der Bandwirker im Bergischen
Hückeswagen · Das Bergische Land ist ein Zentrum der Bandwirkerei. Zum Wochenende hatte der Bergische Geschichtsverein (BGV) zu einem Filmvortrag und einer Führung ins 3-Städte-Depot eingeladen und so einen Einblick in den Traditionsberuf vermittelt.
Ernst Köser hat den Umgang mit hauchdünnen Fäden und das Bedienen von komplizierten Webmaschinen schon mit der Muttermilch aufgesogen. „Ich bin gelernter Bandwirker in vierter Generation“, berichtete der Dhünner, der vom 14. Lebensjahr bis zur Rente in diesem traditionsreichen bergischen Beruf gearbeitet hatte. Am Samstag setzte er zwei historische Webmaschinen in Gang, die in der Halle des Vereins 3-Städte-Depot an der Peterstraße ausgestellt sind. Dorthin hatte die Hückeswagener Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) zu einer Führung eingeladen.
Die Besucher staunten, als sich der mehr als 100 Jahre alte Bandwebstuhl ratternd in Bewegung setzte und tadellose Seidenbänder in vielen verschiedenen Farben und Mustern webte. Noch detailreicher arbeitete der ebenso alte Jaquard-Bandwebstuhl, mit dem die Abzeichenweberei Benjamin Halbach in Wuppertal Ärmel- und Dienstgradabzeichen für die Feuerwehren Deutschlands und Europas produzierte. Beim 3-Städte-Depot fand der historische Webstuhl eine neue Heimat und wurde nach über zehn Jahren wieder in Gang gesetzt. „Ich bin fasziniert, mit welchen Mitteln die Menschen früher gearbeitet und solche Maschinen konstruiert haben“, sagte Fritz Matschureit, zweiter Vorsitzender des BGV.
Das Bergische Land etablierte sich sehr früh als Zentrum der Bandweberei. 1527 erhielten Elberfeld und Barmen das Garnnahrungsprivileg, also das landesherrliche Recht, Garn zu bleichen. Das war die Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer vielseitigen Textilindustrie. Tausende von Webstühlen ratterten vor gut 100 Jahren im Bergischen, wobei zahlreiche Bandwirker ihr Handwerk oft in Heimarbeit betrieben und im 19. und 20. Jahrhundert Bänder und Litzen aller Art herstellten. Wenn sich ein Bandwirker einen eigenen Webstuhl leisten konnte und im Shed (Schuppen) hinter dem Haus aufgebaut hatte, war in der Regel seine ganze Familie in die Produktion mit eingebunden.
Wie die Arbeitsbedingungen in einem Bandweberhaus früher ausgesehen haben, zeigt ein rekonstruierter, zweiteiliger Film des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) von 1975. Der BGV präsentierte den in Dhünn gedrehten Film bereits am Freitagabend im Heimatmuseum als Einstimmung auf die Führung tags darauf. Besondere Sorgfalt und Fingerfertigkeit erforderte die Vorbereitung des handbetriebenen Bandwebstuhls, wo jeder einzelne Faden eingelegt und verzwirbelt werden musste, was oft mehrere Tage dauerte. „Das wäre nichts für mich, da hätte ich gar keine Geduld zu“, zollte Erika Höller den Bandwirkern Respekt.
Für Christel Schulze war der Film eine Reise in die Vergangenheit. „Ich habe diesen Beruf selbst 1966 erlernt“, berichtete die Dhünnerin von ihrer Lehre. „Bei der Gesellenprüfung mussten wir noch selbst die Lochkarten für die Muster herstellen.“ Statt Lochkarte werden die Muster heute per Computer eingescannt und mittels USB-Stick an die Maschine übertragen. „Mit der Automatisierung geht aber auch die Fingerfertigkeit verloren“, befürchtete Joachim Kutzner. Ernst Köser lenkte ein: „Die Handgriffe beim Einlegen der Fäden sind immer noch die selben, wie vor 100 Jahren.“ Das darf gerne ausprobiert werden: Das 3-Städte-Depot bietet zweimal im Jahr VHS-Kurse zur Bandwirkerei an.