Hilden Briefe gegen das Vergessen

Düsseldorf · Zum heutigen Internationalen Tag der Menschenrechte erläutert der Hildener Sprecher von Amnesty International, Rüdiger Müller, was Proteste ausrichten können.

Heute ist der Internationale Tag der Menschenrechte. Aus diesen Anlass sprach RP-Redaktionsleiterin Barbara Jakoby mit Rüdiger Müller, Sprecher der Gruppe Hilden-Haan-Düsseldorf-Süd der Organisation Amnesty International.

Herr Müller, was fällt Ihnen spontan zum Begriff Menschenrechte ein?

Müller Ganz natürliche Rechte des Menschen auf Arbeit, medizinische Versorgung, Meinungsfreiheit, freie Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes, Religionsfreiheit. Kurzum, alles, was in der Charta der Vereinten Nationen dazu festgelegt ist.

Wenn von Verstößen gegen die Menschenrechte die Rede ist, scheint das immer ganz weit weg zu sein. Wie sieht es mit der Wahrung der Menschenrechte in Deutschland aus?

Müller Das ist ein Thema, das immer noch wenig behandelt wird. Auch Amnesty International äußert sich zu Vorgängen im eigenen Land erst seit kurzem.

Welche Fälle sind das?

Müller Zum Beispiel unverhältnismäßig harte Polizeieinsätze wie bei dem Protest gegen Stuttgart 21. Oder die Abschiebepraxis. Bei der Auslegung des Gesetzes kommt oft der menschliche Faktor zu kurz. Jedes Gesetz hat eine gewisse Bandbreite der Interpretation. Die könnte man nutzen, um Menschen nicht in ein Land zurückzuschicken, in dem ihre Gesundheit und ihr Leben in Gefahr sind.

Amnesty International setzt seit seiner Gründung auf das Wort, sprich auf schriftliche Appelle an Regierungen und Machthaber, die gegen die Menschenrechte verstoßen. Es geht dabei immer um konkrete Fälle. Was bringen solche Briefe?

Müller Nach wie vor ist das geschriebene Wort im Kampf für die Menschenrechte eine starke Waffe. Die Briefe werden gesammelt und sowohl an die Regierung als auch in Kopien an die jeweilige Botschaft in Deutschland geschickt. Wenn körbeweise Protestbriefe vor den Botschaften übergeben werden, zeigt das natürlich Wirkung. Die Staaten, die gegen die Menschenrechte verstoßen, fürchten ein schlechtes Image wie die Pest. So ist auch zu verstehen, dass in China — das für mich mit an der Spitze der Länder steht, die gegen die UN-Charta verstoßen — 2008 zumindest vorübergehend Erfolge erzielt werden konnten. Zu den Olympischen Spielen wollten die Chinesen keine negativen Schlagzeilen.

Glauben Sie, ein Diktator wir Gaddafi ließe sich durch Protestbriefe beeindrucken?

Müller Spontan hätte ich da auch meine Zweifel. Aber wenn viele Menschen aus aller Welt sich für die Verbesserung von Haftbedingungen oder die Stellung eines juristischen Beistands für einen Inhaftierten einsetzen, zeigt das vielleicht doch Wirkung. Eine Garantie haben wir nie; wir können nur hoffen.

Wie funktioniert das mit den Briefen?

Müller Wir stellen jeden Monat auf unserer eigenen Internetseite und in Hilden auch auf der Seite der Evangelischen Kirchengemeinde (siehe Infokasten) drei Fälle vor und bitten die Menschen, dazu "Briefe gegen das Vergessen" zu formulieren und an die jeweiligen Regierungen zu schicken.

Sind diese Briefe vorformuliert?

Müller Das machen wir ungern. Wir helfen aber gerne bei der Abfassung.

Erfahren Sie, wenn eine Briefaktion erfolgreich ist?

Müller Unsere Gruppe hat vor ein paar Jahren zwei Gefangene in Syrien betreut. Sie sind freigekommen. Wir bekommen von unserer Zentrale in London grundsätzlich Informationen, wenn unsere Aktionen erfolgreich waren.

Die Hildener ai-Gruppe feiert im Juli ihr 50-jähriges Bestehen. Wie viele Mitglieder hat sie?

Müller Zurzeit zwölf Aktive. Wir haben leider Nachwuchssorgen. Schüler, die sich bei uns engagieren, gehen oft irgendwann ins Studium und verlassen Hilden.

Was tun Sie zur Nachwuchsgewinnung?

Müller Wir haben regelmäßig unsere Infostände und informieren auch in Schulen über die Arbeit von Amnesty International. Da gewinnen wir schon mal ein neues Mitglied.

Viele Länder, die gegen die Menschenrechte verstoßen, sind beliebte Reiseziele. Soll man nach Myanmar, nach China oder nach Libyen reisen?

Müller Da bin ich — zugegeben — mit mir selbst nicht einig. Wenn man dorthin reist, muss man sich klar machen, dass davon die arme Bevölkerung selten profitiert.

(RP)
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