Braunkohleförderung Mega-Förderbänder wandern im Tagebau Garzweiler

Grevenbroich · Da sind kräftige Maschinen und ein eingespieltes Team gefragt: Im Tagebau Garzweiler wurde ein 2,2 Kilometer langes Förderband, eine der Transportadern im Revier, um 120 Meter versetzt. Einen Tag dauerte die Prozedur.

 Kraftpakete: Mit mehreren Rück-Raupen wird das Förderband während recht flotter Fahrt Stück für Stück weiter gezerrt. 450 Pferdestärken hat jedes der Kettenfahrzeuge.

Kraftpakete: Mit mehreren Rück-Raupen wird das Förderband während recht flotter Fahrt Stück für Stück weiter gezerrt. 450 Pferdestärken hat jedes der Kettenfahrzeuge.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Aus der Luft betrachtet, durchziehen lange schwarz-graue Adern den RWE-Tagebau Garzweiler. Rund 100 Kilometer Förderbandanlagen sind, wie RWE-Power-Sprecher Guido Steffen erklärt, die Transportadern in der bis zu 220 Meter tiefen Grube. Im Jahr befördern diese bis zu fünf Kilometer langen Anlagen rund 35 Millionen Tonnen Braunkohle und 200 Millionen Kubikmeter Abraum von den Baggern zum Kohlebunker oder Übergabebahnhof beziehungsweise zu den Absetzern – mit bis zu Tempo 27. Eine dieser Adern, die Braunkohlebagger 261 mit dem Bandsammelpunkt bei Gustorf verbindet, lag jetzt für einen Tag still. Das Transportband musste um 100 bis 120 Meter versetzt werden, da der Großbagger ein Stück weiter wandert. Vom „Rücken“ sprechen die Fachleute bei der Verlegung eines solchen Mega-Bandes.

Doch wie versetzt man die 2,2 Kilometer lange und weit mehr als 1000 Tonnen schwere Schlange aus Stahl und Spezial-Endlosband? Ein Job für die Rück- und Umbau-Kolonne im Tagebau Garzweiler. Bei Gruppenleiter Andreas Neuefeind laufen die Fäden zusammen. „Heute Morgen um 6 Uhr haben wir angefangen“, erzählt der 50-Jährige, der seit 30 Jahren bei RWE beschäftigt ist. „Die Spätschicht macht die Feinarbeiten.“

 Andreas Neuefeind (l.) und Guido Steffen am Rollenkopf, mit dem die Raupe die Schiene zum Rücken umgreift.

Andreas Neuefeind (l.) und Guido Steffen am Rollenkopf, mit dem die Raupe die Schiene zum Rücken umgreift.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun. Zunächst muss das Transportband stromlos geschaltet, müssen Kabel abgebaut werden, bevor die großen Maschinen dem Förderband zu Leibe rücken. Per Funkgerät hält Andreas Neuefeind Kontakt zu den rund zwölf Kollegen, die zum Teil Hunderte Meter entfernt an der Strecke unterwegs sind.

Etwa zu Tobias Jaeger-Lenné, der 30-Jährige lebt in der Grevenbroicher Südstadt und hat als Maschinenführer seinen „Traumjob“ gefunden, wie er sagt. Sein Arbeitsplatz ist in rund vier Metern Höhe im Führerstand eines Caterpillar mit 450 PS. Das Kettenfahrwerk erinnert an einen Panzer. Konstruiert wurde der gelbe Koloss als Rohrverleger, für die Zwecke als Rück-Raupe im Tagebau wurde er umgebaut.

 Tobias Jaeger-Lenné hoch oben auf einer Rück-Raupe. Der 30-Jährige wohnt in der Südstadt.

Tobias Jaeger-Lenné hoch oben auf einer Rück-Raupe. Der 30-Jährige wohnt in der Südstadt.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Ein Rollenkopf am Kranausleger umgreift die an der Seite des Förderbands verlaufende Schiene, die ähnlich der bei Eisenbahngleisen aussieht. Die Motoren von zwei Caterpillar dröhnen los, rasselnd setzen sich die Rück-Raupen entlang des Förderbandes in Bewegung, pflügen hintereinander durch das Terrain, das nur Allrad-Fahrzeuge bezwingen können. Bei der erstaunlich flotten Fahrt zerren die Maschinen die Anlage um rund fünf Meter zur Seite. Auf dem Rückweg folgt die gleiche Prozedur. Schritt für Schritt rückt das Band seiner endgültigen Position näher. Unterstützt werden die Caterpillar von mehreren Radladern, die hier und da eingreifen.

Auf Wanderschaft geht auch die Heckstation am Ende der Transportschlange. Sie verfügt über gigantische Schreitteller. Wie eine Maschinen aus Star Wars setzt sie – von einem Mitarbeiter ferngesteuert – ihre Riesenfüße ein Stück weiter, um mit dem Förderband mitzuhalten. Etwas weiter haben die Rück-Raupen weitere Touren absolviert. Bei dieser Arbeit sei vieles zu beachten, hatte Tobias Jaeger-Lenné zuvor bei einem kurzen Halt erläutert. „Das Band darf sich nicht verdrehen, und auf der Schiene darf nicht zu viel Spannung sein.“ Während des Rückens weist die Seiten-Schiene erstaunliche Kurven auf. Der Spruch „Flexibel wie eine Eisenbahnschiene“ erhält hier eine ganz andere Bedeutung.

Und dann passiert es, bricht die Schiene an einer Stelle kurz hinter der Heckstation. Das komme öfters vor, sagt der Gruppenleiter. Sofort naht Hilfe. Am Rand der Strecke stand ein großer Traktor mit Spezialgerät für solche Fälle bereit. Brenner werden diese Mitarbeiter genannt – oder auch „Schienensanitäter“. Mit Laschen wird der Schaden behoben, die Bruchstelle „geflickt“, das Rücken geht weiter. Irgendwann hat das Förderband sein Ziel erreicht. Mit Hilfe eines mit GPS ausgerüstetem Caterpillar kontrollieren Mitarbeiter, dass das 2,2 Kilometer lange Transportgerät gerade verläuft. Zentimetergenau wird die Position bestimmt. Mit großen Wasserwaagen wird die richtige Höhe überprüft. „Die Feinarbeit macht unsere Spätschicht“, sagt Andreas Neuefeind.

Etwa alle zwei Wochen müsse eines der Transportbänder „gerückt“ werden, manchmal auch zwei Mal wöchentlich. Etwa acht bis 16 Stunden dauert diese Prozedur.

Bagger 261 steht bei seiner weiterem Arbeit wieder mit dem Bandsammelpunkt in Verbindung, kann die Förderung wieder aufnehmen. Der Gigant, der nächstes Jahr 60 Jahre alt wird, gehört zu den kleineren Braunkohlebaggern im Tagebau Garzweiler. Doch am Tag kann „261“ immerhin rund 100.000 Kubikmeter Material abgraben, sein  jüngerer Kollege „288“ bringt es auf 240.000 Kubikmeter.

Bei jeder Bewegung des auf Ketten rollenden Baggers versetzt werden muss das Förderband übrigens nicht. „Die Verbindungsbrücke am Bagger, über die Kohle oder Abraum zum Band laufen, ist teleskopierbar – ausziehbar. Doch irgendwann, nach einigen Wochen, ist diese Verbindungsbrücke komplett ausgefahren, sind die Verlängerungsmöglichkeiten ausgereizt. Dann müssen Andreas Neuefeind und seine Kollegen wieder ran, um eine der Transportadern ein Stück weiter zu rücken.

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