Erfahrungsbericht Wenn das Schreiben zum Rettungsanker wird

Geldern · Kenan Sisic hat als Praktikant bei der Lokalredaktion der Rheinischen Post in Geldern vier Wochen Zeitungsluft geschnuppert. Der Wunsch, Journalist zu werden, stand für den 24-Jährigen seit der siebten Klasse fest. Damals überzeugte ihn der Besuch eines Schreibers, und seine ersten eigenen Gehversuche starteten. Kein einfacher Weg. Wegen eines Schlaganfalls, den er als Baby erlitt, hatte er lange mit motorischen Einschränkungen zu kämpfen und mit epileptischen Anfällen. Aber gerade dieser Teil seiner Geschichte spiegelt sich auch in seinen Texten wider. Als „Hopefighter“ schreibt er in seinem Blog und will Menschen Hoffnung machen.

Praktikant Kenan konnte bei der Rheinischen Post in Geldern seine Leidenschaft fürs Schreiben ausleben.

Praktikant Kenan konnte bei der Rheinischen Post in Geldern seine Leidenschaft fürs Schreiben ausleben.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Jede Geschichte trägt eine Stimme in sich, die wir mit den richtigen Worten repräsentieren. Genau diese Geschichten waren mein Antrieb, zu schreiben. Zu schreiben, um irgendwann mehr als nur meine eigene Geschichte zu repräsentieren.

Als ich in der achten Klasse das erste Mal anfing, zu schreiben, da schien eine berufliche Zukunft scheinbar unmöglich zu sein. Ich hatte nichts, was man brauchte, um später eine gute Basis zu haben. Alles, was ich an diesem Tag hatte, war ein Stift in der Hand, ein Blatt Papier und dazu nur jemanden, der in mir etwas gesehen hat, einen Menschen. Einen Menschen mit einer Geschichte, die noch gelebt werden wollte, bevor sie erzählt wird. Und dieser Hoffnungsschimmer war der Startschuss für mich.

Als ich anfing, waren meine Worte voller Fehler, weder ein Punkt noch das Komma waren an der richtigen Stelle. Jegliche Absätze fehlten. Was dabei fehlte, war jemand, der mir zeigte, wie es wirklich ging. Also brachte ich es mir selbst bei. Schrieb meine eigenen Geschichten sowie Gedichte, und irgendwann wurde aus vielen kleinen Geschichten ein echtes Buch, das ich in den Händen hielt. Aus diesem Buch folgte ein größeres und am Ende eine Geschichte, die ich repräsentieren durfte, da ich ihr mit eigenen Worten eine Stimme geben konnte.

Als ich meinen ersten Praktikumstag bei der Redaktion der Rheinischen Post in Geldern antrat, war ich so nervös, aus der Sorge, dass nach zahlreichen beruflichen Wegen mein äußerliches Erscheinungsbild wieder ein weiterer Grund wäre, keinen Platz zu schaffen, an dem ich Wurzeln schlagen konnte. Doch diese Sorge verschwand. Nachdem ich nur durch die Redaktionstür trat, wurde ich von meinem Chef begrüßt, der mich direkt durch die Redaktion führte und mich wie in einem Schnelldurchlauf mit allem vertraut machte. Das war für mich, wie ins kalte Wasser geworfen zu werden, aber auch genau richtig, da ich mich in meinem Tempo an das Umfeld anpassen konnte. Nur einen Tag später wurde ich wieder ins kalte Wasser geworfen. Nachdem ich mich nach meinen Arbeitszeiten erkundigen wollte, bekam ich schon meinen ersten Termin: Die Eröffnung einer kleinen „Imbissbude“. Unter anderen Umständen wäre dies eine Aufgabe, die ich nicht gemeistert hätte. Doch es hat einfach gepasst, das Timing war einfach richtig, und ich begab mich zu meinem ersten Termin. Diesen kann ich so zusammenfassen: Das erste Mal ist niemals perfekt, aber vollkommen echt.

Ich war etwas aufgeregt, dennoch war die Unterhaltung einfach wundervoll und der gesamte Termin eine wundervolle Erfahrung, die mich lehrte, dass manches viel einfacher ist, wenn man sich einfach der Sache hingibt.

Nach diesem Termin ging alles wie von selbst. Ich könnte sagen, dass ich schon immer mit dem Herzen geschrieben habe, aber dieses Mal war es, als ob mein Herz den Stift führen ließ. So entstand am Ende eine Geschichte, mit der ich glaube, nicht nur etwas Gutes vollbracht, sondern auch etwas Gutes hinterlassen zu haben, das langfristig erhalten bleibt.

Nach diesem Termin lernte ich im Verlauf der nächsten Tage, mit zahlreichen Meldungen die wichtigsten Informationen mit den richtigen Worten kompakt zusammenzufassen. Was für mich gar nicht so leicht war, da ich eher immer alles sehr detailliert erkläre.

Mit der Zeit war die Redaktion wie ein zweites Zuhause für mich, mit Menschen, die mir halfen, wenn ich die Hilfe am meisten brauchte. Ich lernte viel, was einen Journalisten ausmacht und welches Handwerk man beherrschen muss, um es in den verschiedensten Situationen richtig einzusetzen. Doch viel mehr lernte ich dazu, mich vor meiner Hingabe zum Schreiben niemals wegen meiner körperlichen Einschränkung zu schämen oder zu glauben, dass es nicht gut genug sei, damit meine Worte gehört und diese geschriebenen Geschichten am richtigen Platz ankommen werden.

Doch genau dieser Platz wird mir von ganzen Herzen fehlen. Da für mich diese Redaktion nie eine war, in der nur gearbeitet wird. Sie war für mich mein sicherer Hafen, an dem ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, angekommen zu sein. Doch auch wenn ich von diesem Hafen wieder zu meiner nächsten Reise aufbreche, weiß ich, dass ich, wenn ich irgendwann auf meine Reise als Journalist zurückblicke, auf einen wunderschönen Anfang zurückblicken werde.

Vielen Dank für alles, Rheinische Post.

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