Verrückte Sache in Emmerich Doch kein Gefängnis: Sohn zahlt für die Mutter

Emmerich · Hat sie in den vergangenen fünf Jahren wirklich nicht die Möglichkeit gehabt, die 800 Euro aufzutreiben, die sie vor dem Gefängnis bewahrt hätten? Oder vielleicht bei der Caritas jobben statt Haft? Vielleicht war ihr das jüngste Erlebnis eine Lehre.

Die Frau hätte 40 Tage im Gefängnis verbracht, hätte ihr Sohn nicht die restlichen 800 Euro (plus 105 Euro Kosten) bezahlt.

Die Frau hätte 40 Tage im Gefängnis verbracht, hätte ihr Sohn nicht die restlichen 800 Euro (plus 105 Euro Kosten) bezahlt.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Geld oder Gefängnis? Eine 55-jährige Deutsche hatte am Sonntag Glück, dass sich ihr Sohn erbarmte und für sie bei Papa Staat bezahlte.

Die Frau war auf der A 3 in Höhe der Abfahrt Emmerich-Ost von der Bundespolizei angehalten worden. Ein Blick in die Datenbank zeigte, dass sie durch die Staatsanwaltschaft Duisburg mit einem Vollstreckungshaftbefehl gesucht wird. Grund dafür war eine Verurteilung durch das Amtsgericht Dinslaken aus dem Jahr 2017 wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubtem Entfernen vom Unfallort. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt. Sie zahlte aber nur 1600 Euro. Da sie den Rest plus 108,50 Kosten vor Ort nicht bezahlen konnte, wurde sie verhaftet und zur Bundespolizeiinspektion Kleve gebracht. Die 40-tägige Ersatzfreiheitsstrafe konnte doch noch abgewendet werden. Ihr Sohn bezahlte.

Zur Erklärung: Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird vollzogen, wenn die Geldstrafe nicht geleistet wird beziehungsweise nicht geleistet werden kann. Einem Tagessatz der Geldstrafe entspricht einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Der Verurteilte kann die Freiheitsstrafe übrigens auch durch unentgeltliche Arbeit abwenden.

Es ist also nicht so, dass derjenige, der kein Geld hat, automatisch im Nachteil ist. „Schwitzen statt sitzen“ gibt es seit 2016 und ist eine Vereinbarung der katholischen Kirche sowie der Caritas mit dem Land NRW.

Die Vereinbarung ermöglicht den Strafvollstreckungsbehörden, Personen, die an sich Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen müssten, alternativ in Kirchengemeinden und katholische Sozialeinrichtungen zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit zu vermitteln. Als Tätigkeiten kommen zum Beispiel Gartenarbeit, Reinigungs- und einfache handwerkliche Hilfsarbeiten in Sozialstationen, Seniorenzentren oder Krankenhäusern sowie Hausmeisterassistenz und Botengänge in Betracht.

In den Vollzugsanstalten des Landes sitzen pro Jahr im Schnitt rund 35.000 Häftlinge. Davon etwa 6.000, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben, zu der sie wegen minderschwerer Delikte verurteilt wurden, zum Beispiel Ladendiebstahl, kleine Betrügereien oder „Schwarzfahrten“. Viele können diese Geldstrafen aber nicht bezahlen, selbst wenn es nur 30 Tagessätze zu je zehn Euro sind. Dann geht es in die Ersatzhaft. Und dann kosten die Leute das Land täglich etwa 133 Euro.

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