Thomas Neumanns Ausstellung im Weltkunstzimmer Selbstfindung in der Sowjetunion

Das Weltkunstzimmer zeigt eine Retrospektive des Fotografen Thomas Neumann.

 Hammer und Sichel, das bekannteste und verbreitetste Symbol des Marxismus-Leninismus: Das Foto ist im Jahr 2000 in Kasachstan entstanden.   Foto: Thomas Neumann

Hammer und Sichel, das bekannteste und verbreitetste Symbol des Marxismus-Leninismus: Das Foto ist im Jahr 2000 in Kasachstan entstanden. Foto: Thomas Neumann

Foto: Thomas Neumann

„Ich hätte auch Armut fotografieren können“, sagt Thomas Neumann und blickt auf eine seiner Fotografien, die ein verschneites Arbeitslager in der russischen Hafenstadt Magadan zeigt. „Aber die Jetztzeit der 90er und 2000er hat mich nicht interessiert. Eher das vergangene Ideal.“ Dieses dokumentiert der Meisterschüler Thomas Ruffs in seiner Ausstellung „Exakte Vertrauensgrenzen“, die jetzt im Weltkunstzimmer zu sehen ist. Mit Fotografien, Videos und Installationen zeigt er die Länder der ehemaligen Sowjetunion nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, in denen auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Ost-West-Ausrichtung der Geschichte noch nicht überwunden ist.

Neumann setzt sich mit dieser schwierigen Zeit des Wandels auseinander, historisch, künstlerisch aber auch biografisch: Nach einem Schüleraustausch in Minsk reist er als Abiturient 1993 nach Litauen, Estland und Lettland, eigentlich, um ein Abenteuer zu erleben. Er ist fasziniert davon, „wie sehr die geplante, strukturierte Sowjetunion noch erkennbar ist“.

Ein Jahr später reist er mit einer Kamera ausgestattet nach Moskau, um zu fotografieren. Auch in den darauffolgenden Jahren zieht es ihn in die verschiedenen Länder der ehemaligen Sowjetunion, um dort die Spuren des Sozialismus einzufangen. Die Ausstellung ist für ihn eine Art Rückblick auf seine Arbeit der vergangenen 25 Jahre; sie zeigt einerseits den Werdegang eines ideologischen Systems, das eigentlich auf die Ewigkeit ausgelegt war, aber auch seinen eigenen, persönlichen.

So setzt er sich in einer Installation mit dem „Selbst“ auseinander: Um die hundert Postkarten reihen sich in einem großen Rahmen aneinander. Sie zeigen die neu entstandenen Gebäude, Eisenbahnen, Städte der ehemaligen Sowjetunion, unterschwellig auch die Bruchstellen der geplanten Idealvorstellung und der tatsächlichen Umsetzung des Sozialismus. Auf der Rückseite der Postkarteninstallation findet sich eine Diashow, in der Neumann mit jedem Klick ein Wort in die Kamera hält, das mit „Selbst“ beginnt: Selbstzweifel, Selbstdisziplin und so weiter. Daher kommt auch der Titel der Ausstellung, ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Denn der Frage nach dem Selbst könne man sich allenfalls annähern – wie bei der exakten Vertrauensgrenze.

Info Bis zum 19. April ist die Ausstellung im Weltkunstzimmer zu sehen.

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