Asphalt auf See Ein nervenzehrender Krimi aus der NS-Zeit

Das Stück „Aktion: Aktion!“ der Theatergruppe Pièrre.Vers arbeitet das Geschehen um die „Aktion Rheinland“ auf. Der Jürgensplatz verleiht der Aufführung als Ort des historischen Geschehens eine besondere Bedeutung.

 Das Theaterstück ist Teil des Festivals „Asphalt auf See“ und wird noch bis Samstag, 18. Juli, auf dem Jürgensplatz aufgeführt.

Das Theaterstück ist Teil des Festivals „Asphalt auf See“ und wird noch bis Samstag, 18. Juli, auf dem Jürgensplatz aufgeführt.

Foto: Ralf Puder

Gerade rechtzeitig vor Beginn der Performance „Aktion: Aktion!“ am Dienstag hörte der Nieselregen auf. Noch schnell die Hocker abgewischt, die sich im Hof des Polizeipräsidiums am Jürgensplatz zwischen drei Podien verteilen, dann nehmen 48 Zuschauer darauf Platz. Wie bei allen Veranstaltungen des Festivals „Asphalt auf See“ werden Kopfhörer verteilt. Dass diese „performative Erinnerung“ nicht am Schwanenspiegel stattfindet, hat seinen Grund. Das Düsseldorfer Polizeipräsidium ist der historisch getreue Schauplatz für ein bedrückendes Geschehnis aus der Nazizeit, aufgearbeitet vom Theaterkollektiv Pièrre.Vers. und noch vom heutigen Donnerstag, 16. Juli, bis Samstag, 18. Juli, zu erleben.

Zu Wort kommen Beteiligte und Zeitzeugen der Düsseldorfer Widerstandsgruppe „Aktion Rheinland“, die sich im April 1945 zum Handeln gezwungen sah, um ihre bedrohte Stadt vor der Vernichtung zu retten. Hauptakteure waren der Architekt Aloys Odenthal, die Rechtsanwälte Karl Müller und Karl August Wiedenhofen, der Schreinermeister Ernst Klein, der Ingenieur Karl Kleppe und der Bäckermeister Josef Lauxtermann. Eine Schlüsselrolle spielte Franz Jürgens, Namenspate des Platzes, seit 1944 Oberstleutnant im Polizeipräsidium – und Mitglied der SS. Linientreuer Nazi oder Opportunist aus Eigennutz? Niemand wusste, wie es um seine politische Haltung stand. Doch seinen entschlossenen Einsatz am 16. und 17. April bezahlte er mit dem Leben. Das Todesurteil des Standgerichts im Parkhotel für Jürgens und vier seiner Mitstreiter wurde unverzüglich vollstreckt.

Unter der Regie von Christof Seeger-Zurmühlen entfesseln die vier Schauspieler ein packendes Drama. Schnell wechseln sie ihre Positionen, verkörpern verschiedene Personen. Dumpfer Trommelwirbel und das Geräusch von Geschützen und dröhnenden Flugzeugen reichern die vorgetragenen Protokolle mit Dynamik an und verdichten die Inszenierung noch stärker.

Anfangs erscheinen die Vielzahl der Namen, die aufgelistet werden, etwas verwirrend, aber bald schälen sich die einzelnen Charaktere deutlich heraus.

Die mit Herzblut und Handschlag gegründete „Aktion Rheinland“ sollte das Schicksal von Düsseldorf bestimmen. Bis 1940 war die Stadt vom Kriegsgeschehen verschont geblieben. Dann fielen immer mehr Bomben der Allierten, die auf eine Zermürbungstaktik setzten. Beim Pfingstangriff im Jahr 1943 entfachten 90 Brände ein verheerendes Flammenmeer. Ungerührt erging der Aufruf an die Volksgenossen, sich im Vertrauen auf den Führer in der eigenen Standhaftigkeit nicht beirren zu lassen. Noch am 19. März 1943 forderte Adolf Hitler in seinem „Nerobefehl“, bis zum letzten Mann zu kämpfen.

Da war Oberkassel bereits eingenommen, Düsseldorf zum Frontgebiet geworden. Seit Monaten hatte die Widerstandsgruppe um Odenthal und Wiedenhofen verzweifelt nach einem Ausweg gesucht, das Kriegsgeschehen von ihrer Heimatstadt abzuwenden. Mitte April war Düsseldorf umzingelt, es musste etwas geschehen, sofort.

An dieser Stelle setzt im Stück eine Parallelhandlung ein, die sich zum nervenzehrenden Krimi entwickelt. Franz Jürgens händigt den Widerständlern eine weiße Fahne und die Vollmacht aus, hinter den feindlichen Linien in Mettmann mit den Amerikanern zu verhandeln. Während der Trupp im Mercedes-Sechssitzer losprescht, wird unter Jürgens‘ Anführung der gefürchtete Polizeipräsident August Korreng entwaffnet, verhaftet und in die Arrestzelle des Präsidiums gebracht. Dramatik im Minutentakt. Der amerikanische Kommandeur wird erreicht, zögert aber zunächst, sich auf die Zusagen der Unterhändler zu verlassen, Düsseldorf sei ohne Gegenwehr einzunehmen. Nach quälenden Stunden geht er darauf ein, schickt Panzer und Infanterie auf den Weg. Hoch oben auf dem ersten Panzer kehrt der erschöpfte Aloys Odenthal in die Stadt zurück, während sich im Präsidium die tragischen Ereignisse überschlagen. Doch die Mission der Männer ist erfüllt: Düsseldorf hat sich ohne Blutvergießen ergeben.

Der Ermordeten wird im Stück mit einer Schweigeminute gedacht. Die Trauerrede auf dem Nordfriedhof hielt 1945 Hermann Smeets, Mitbegründer der Organisation Antifako. Er appellierte daran, jeglichen Pangermanismus künftig zu verhindern. Geschichte kann so aktuell sein, so unmittelbar und so nah. Ein bewegender Abend.

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