Asphalt auf See Synthies wie eine Sommerbrise

Die „Invisible Twins“ gaben ihr erstes Live-Konzert beim Asphalt-Festival. Dabei schaffen sie es, die schweren, elektronischen Sounds der 80er leicht und luftig klingen zu lassen.

 Niklas Schneider und Anikò Kanthak sind ein elektrisches Duo.

Niklas Schneider und Anikò Kanthak sind ein elektrisches Duo.

Foto: Invisible Twins

Das Konzert ist beinahe zu Ende, da sagt Anikó Kanthak diesen Satz: „Wir seilen uns auch von einem Baum ab, wenn Sie uns zu Ihrem Gartenfest einladen.“ Man glaubt es ihr sofort, wie sie so dasteht auf der Seebühne des Asphalt-Festivals, anmutig übermütig und tief zufrieden, dass die Uraufführung so gut gelaufen ist. Kanthak und Niklas Schneider geben zum ersten Mal als „Invisible Twins“ ein Live-Konzert. In gewisser Weise steckt in dem klimperkleinen Aperçu vom Abseilen viel vom Geist dieser sonnigen Elektro-Band. Sie schaut ab und zu auf der Erde vorbei, um ihre „Make-love-not-war“-Botschaften zu überbringen, ansonsten fliegt sie aber lieber auf ihrem wattigen Soundteppich davon, manchmal sogar bis zu den Wolken.

Als Bojan Vuletic, mit Christoph Seeger-Zurmühlen künstlerischer Leiter des Festivals, Anikó Kanthak fragte, ob sie auftreten mag, blieb ihm eine Woche, um die Corona-bedingte Absage des ursprünglich geplanten Programms doch noch in Kunst zu verwandeln. Wenn man sich später beim Asphalt-Festival für wertvolle Inspirationen in diesen Kultur-trägen Zeiten bedanken wird, haben die „Invisible Twins“ einen großen Anteil daran. Ihre Musik ist eine lässige Variante des dickflüssigen Synthiepop der 1980er Jahre, und das muss einem erst einmal gelingen.

Kanthak und Schneider schöpfen aus reicher künstlerischer Erfahrung. Musik ist ihr Leben, seit sie Kinder sind. Kanthak spielt Klavier und singt, schreibt Songs und komponiert. Schneider hat Jazzschlagzeug studiert und ist als Produzent tätig. Die „Invisible Twins“ sind sie erst seit Kurzem. Als solche cruisen sie auf einer Welle der Harmonie, welche die Künstler allerdings mit schöner Regelmäßigkeit unterwandern. Etwa wenn Anikó Kanthak nach einer butterweichen Hymne an den Gleichmut mit der Ungeniertheit einer Cindy Lauper ihren Liebsten preist, den sie lahm findet, aber jetzt gerade begehrt. Oder wenn sie die weibliche Scham besingt, als flehte sie einen guten Geist an, ihr endlich einen Lottogewinn zu bescheren. Nicht ein Stück endet gefällig. Manchmal lässt Niklas Schneider einen Song ausknistern, andere löst er in akustische Signale auf. Es knurrt zum Ende auch mal – Mikrostörungen, die das musikalische Wohlgefühl veredeln.

Über allem schwebt der Gesang von Anikó Kanthak. Warm und cool zugleich. Das Konzert ist eine Sommerbrise, die gerne noch ein wenig weiterrauschen darf, findet das Publikum, als der Abend nach gut einer Stunde endet. Eine Zugabe dürfen die „Invisible Twins“ geben, und noch während sie singen „All I ever want is falling with you“ sind sie irgendwie doch schon wieder auf dem Weg in die Wolken. Die Besucher bedanken sich mit viel Applaus.

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