Hilfe in Düsseldorf Geflüchtete aus der Ukraine brauchen vor allem Wohnraum

Düsseldorf · Düsseldorf stellt sich auf die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine ein. Noch fehlen viele Informationen. Ein Runder Tisch soll Klarheit bringen.

 Hannah Herrnkind (r.) ist eine der Hauptamtlichen des Vereins „Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf“, der Geflüchtete berät.

Hannah Herrnkind (r.) ist eine der Hauptamtlichen des Vereins „Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf“, der Geflüchtete berät.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Noch immer ist vieles unklar – wie viele Menschen aus der Ukraine in Düsseldorf ankommen werden, wie sie untergebracht werden und wie lange sie bleiben werden. Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration, kann auf Nachfrage keine aktuellen Zahlen liefern.

Gegen Ende der Woche erwarte man, dass mehr Menschen aus der Ukraine eintreffen werden. Wie diese in Deutschland verteilt werden, ist noch offen. „Der Städtetag spricht von 100.000 Menschen, die aufgenommen werden sollen. Geht es nach dem gängigen Schlüssel, würden davon 20.000 nach NRW kommen und drei Prozent, also rund 600, nach Düsseldorf“, sagt Koch.

Das klinge nicht nach viel, doch nach aktuellem Stand gebe es nicht genügend Plätze für diese Menschen. Hilfsangebote von Düsseldorfern gehen aber viele ein. Am Dienstagmorgen sind im Postfach der Verwaltung 500 E-Mails angekommen. „Sachspenden sind aktuell weniger gefragt. Wir brauchen jetzt vor allen Dingen Wohnraum“, sagt Miriam Koch.

Eine weitere Rolle spielt die Entscheidung der EU, ob die sogenannte Massenzustromrichtlinie bewilligt wird. Dann ist es ohne Asylantrag möglich, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Geflüchtete können sich dann frei in Deutschland bewegen und müssen nicht über Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt werden. Die Kommunen in NRW haben sich am Dienstag per Videokonferenz ausgetauscht – bislang aber keine Lösung gefunden. Allgemein fühlen sie sich an 2015 erinnert. Die EU-Richtlinie könne den Menschen helfen, von denen viele auch jetzt schon legal privat ankommen. „Aber das ist dann nicht mehr gut steuerbar“, meint Miriam Koch.

Um die Hilfe besser zu koordinieren, findet am heutigen Mittwoch von 11 bis 12.30 Uhr ein „Runder Tisch Ukraine“ statt. An diesem werden Sozialverbände, Verwaltung und ehrenamtliche Initiativen teilnehmen und sich über die aktuelle Lage austauschen. Zudem soll über den Bedarf der einzelnen Gruppen gesprochen werden. Miriam Koch kann sich vorstellen, dass der Runde Tisch sich alle zwei Wochen treffen wird, um gemeinsam zu entscheiden, wie den Menschen am besten geholfen wird. „Wir werden vermutlich auch ein Spendenkonto einrichten. Mit Geldspenden können wir schneller auf individuelle Bedürfnisse eingehen“, sagt Koch.

Bei dem Verein „Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf“ ist man an diesem Punkt bereits angelangt. Die Vorsitzende Hildegard Düsing-Krems verweist auf die Spendenmöglichkeiten per Paypal und Überweisung auf der Webseite des Vereins. „Wir machen alles transparent, was mit dem Geld geschieht“, versichert sie.

Seit Beginn des Krieges ist der Verein damit beschäftigt, sich vorzubereiten. „Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter sind jeden Tag vor Ort, um zu helfen und sich fortzubilden“; erzählt sie. Übersetzer haben sich bereits gemeldet. Juristen informieren darüber, was man den ankommenden Menschen sagen kann. Denn die Fragen sind vielfältig – auch von Ukrainern, die in Deutschland studieren oder zu Besuch sind.

Seit Donnerstag sind rund 8000 Mails eingegangen. Die Hilfsbereitschaft sei überwältigend. „Wir stehen in enger Verbindung mit den Menschen und der Stadt und versuchen so gut wie möglich zu helfen“, sagt Düsing-Krems. Eine Ukrainerin, die schon länger in Düsseldorf lebt, ist am Dienstag persönlich bei dem Verein erschienen, um ihre Hilfe anzubieten. Sie spreche neben deutsch und ukrainisch auch russisch und könne beim Übersetzen helfen. „Vor allem möchte ich aber psychologischen Beistand leisten“, sagt sie. Die Menschen, die jetzt aus der Ukraine kämen, bräuchten in dieser schweren Zeit vor allem Zuspruch, glaubt sie. Ihre Familien und Freunde sind noch in der Ukraine.

60 Ehrenamtler gebe es aktuell, sagt Vereinsleiterin Düsing-Krems. In den nächsten Tagen werde man aber wohl aufstocken müssen, um allen Fragen in der Anlaufstelle hinter dem Hauptbahnhof gerecht zu werden.

„Da kommen noch einige Aufgaben auf uns zu. Ich denke nicht, dass die Menschen in wenigen Tagen wieder zurück können. Spracherwerb, Schule, Unterkunft – darum werden wir uns in Zukunft kümmern müssen“, sagt sie. Es reiche nicht, nur laut willkommen zu rufen.

Die Bereitschaft, Ukrainer willkommen zu heißen, ist aber zweifelsohne da. „Wir beobachten, dass die Menschen den bald ankommenden Geflüchteten sehr positiv gegenüberstehen“, sagt Lion Rüger, einer der wenigen hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins. Am Dienstag koordiniert er die offene Sprechstunde. Bisher ist vor den Räumen des Vereins zwar fast noch niemand aus der Ukraine zur Sprechstunde erschienen. „Zu uns kommen immer noch vor allem Menschen aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum und fragen nach Hilfe“, sagt Rüger. Doch auch er rechnet damit, dass sich das bald ändern wird.

Er glaubt, dass die Massenzustromrichtlinie der EU wahrscheinlich bewilligt werde, darum rät er Menschen aus der Ukraine zunächst, kein Asyl zu beantragen. „Ein laufendes Asylverfahren bringt viele Nachteile mit sich“, sagt er. Wenn die Menschen die Möglichkeit bekämen, ein Jahr lang auch ohne Asylantrag in Deutschland zu bleiben, so sollten sie dies auf jeden Fall nutzen. Anders als Vereinschefin Hildegard Düsing-Krems geht Rüger aber auch davon aus, dass die meisten Ukrainer nicht auf Dauer in Deutschland bleiben wollen.

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