Industriestadt Düsseldorf Die Mega-Krane vom Rhein

Düsseldorf · Im Düsseldorfer Süden entstehen bei Demag Hafenmobilkrane, die mehr als 600 Tonnen wiegen. Viele Male wechselte der Kranbauer seinen Eigentümer. Jetzt gehört er zum US-Konzern Terex. Jede zweite Banane im Handel wurde von einem Kran "Made in Düsseldorf" umgeladen.

 2007 wurde der erste Schwimmkran der Generation 5 auf offener See in Betrieb genommen - 35 Kilometer vor der Küste der Insel Borneo.

2007 wurde der erste Schwimmkran der Generation 5 auf offener See in Betrieb genommen - 35 Kilometer vor der Küste der Insel Borneo.

Foto: Demag

Wenn einmal in der Woche die Produkte der Demag Cranes-Tochter Gottwald in Benrath ausgeliefert werden, steht der Bahnverkehr entlang der Rheinschiene minutenlang still. Jeden Donnerstag verlassen kurz vor Mitternacht mehrere gigantische Schwertransporter das Werk an der Forststraße und rollen mit Schrittgeschwindigkeit in Richtung Reisholzer Hafen. Die Hafenmobilkrane wiegen teilweise mehr als 600 Tonnen. Deshalb müssen sie zerlegt transportiert werden.

 In der Halle in Benrath werden die Hafenmobilkrane in drei getrennten Teilen gefertigt. Zusammengebaut werden sie erst vor Ort.

In der Halle in Benrath werden die Hafenmobilkrane in drei getrennten Teilen gefertigt. Zusammengebaut werden sie erst vor Ort.

Foto: Andreas Bretz

Nadelöhr ist die Bahnlinie Köln — Düsseldorf. Diese müssen die Lkw überqueren, da die Unterführung an der Bamberger Straße nicht tief genug ist. Zwanzig Minuten Zeit haben sie dazu. In dieser Spanne kann kein Zug die zentrale Strecke NRWs passieren. Die Deutsche Bahn muss die Oberleitungen der ICE-Strecke höher legen und den Strom abschalten. Bei einer Verzögerung von wenigen Minuten gäbe es Verspätungen im Zugverkehr in ganz Nordrhein-Westfalen. In der Regel aber geht alles glatt. Nach drei Stunden erreichen die zerlegten Krane den Reisholzer Hafen, um von dort in die Welt verschickt zu werden.

Nächster Kran geht nach Brasilien

Die riesigen Hafenmobilkrane sind eine Erfindung aus Düsseldorf. Bereits 1956 verließ das erste Exemplar das Gottwald-Werk. Heute arbeiten mehr als 1300 Hafenmobilkrane in Häfen verteilt über den ganzen Globus. Damit ist Demag Weltmarktführer. Die Maschinen arbeiten als Schwimmkrane im Mississippi, im Indischen Ozean oder als fahrbare Hafenkrane an Land im Hafen von Hamburg, in Chile oder auf den Fidschi-Inseln. "Unser größter angebotener Kran ist mehr als 50 Meter hoch", sagt Montageleiter Arnold Bastek. In einer Höhe von bis zu 36 Metern sitzt später einmal der Kranführer, wenn der Kran fertig ist. "Lasten mit einem Gewicht von 200 Tonnen können sie heben", erklärt Bastek — so viel wie 40 Elefanten wiegen.

Viel erkennen kann man von den Riesenkranen in Benrath allerdings noch nicht. Sie werden erst im Hafen des Kunden zusammengebaut. Das Werk verlassen sie in vier Großbauteilen, dem sogenannten Oberwagen, in dem Motor und Technik untergebracht sind, dem Unterwagen mit Achsen und Rädern, dem Kranturm und dem Ausleger, mit dem der Kran auch die hintersten Reihen der größten Containerschiffe der Welt erreichen kann. Gefertigt werden die Hafenmobilkrane im Gottwald-Werk in Benrath. Drei Monate braucht das Fertigungsteam von der Bestellung bis zur Auslieferung. Zurzeit entsteht in den Hallen einer der größten jemals ausgelieferten Modelle. Er verlässt morgen das Werk in Richtung Brasilien, um dort Erze von und auf Schiffe zu laden.

"Der Bau von Hafenkranen ist keine Fließbandarbeit", sagt Michael Eilers, der als Werksleiter die Verantwortung für die Produktion im Werk hat. "Wir sehen uns als eine Art Kranmanufaktur. Jeder Kundenwunsch wird berücksichtigt." In der Halle liegen die riesigen Teile, 35 Meter lange Stahlträger, die später den Turm der Krane bilden. Daneben stehen fertige Führerhäuser, die bereits erahnen lassen, wie das Produkt im Endzustand einmal aussehen wird. Eine bessere Vorstellung von der Dimension der Giganten erhält man auf dem Außengelände, wo die fertigen Unterwagen von Peter Hoemanns auf Tauglichkeit getestet werden. Die Räder sind fast so hoch wie ein Mensch. Rund 850 Mitarbeiter arbeiten heute am Standort in Düsseldorf. Die Geschichte von Gottwald begann 1906 mit der Gründung einer Düsseldorfer Niederlassung.

Am heutigen Standort wurden Dampfloks und dampfbetriebene Krane gefertigt. Später startete die Produktion von Hafenkranen. Ein Blick in die Geschichte der Gottwald-Produkte bietet ein Hafenkran aus dem Jahre 1957, der heute als Erinnerung an die alte Tradition Düsseldorfer Kranbauer im Medienhafen steht. Äußerst lebhaft ist die Geschichte der Besitzverhältnisse an Demag und seiner Tochter Gottwald.

Demag verschwindet von der Börse

Gottwald wurde 1988 von Demag gekauft. Die wiederum gehörte damals bereits zu Mannesmann. Nach der feindlichen Übernahme durch den Mobilfunker Vodafone wurde die Sparte mit den Hafenkranen zunächst an Siemens verkauft. Danach wurde der Finanzinvestor KKR Eigentümer. 2006 folgte der Gang an die Börse. Doch auch das ist bald wieder Geschichte. Nach einigem Hin und Her und der Drohung einer feindlichen Übernahme einigte sich das Demag-Management mit dem US-Baumaschinenkonzern Terex im Sommer auf eine freundliche Übernahme. Heute hält Terex 82 Prozent, möchte aber auch den Rest erwerben, um Demag von der Börse zu nehmen.

Der Bau von Hafenkranen in einem der bevölkerungsreichsten Ballungsräume Europas fernab der Küste mag für viele Düsseldorfer befremdlich sein. Tatsächlich aber sind Verbraucher viel enger mit den Produkten von Demag verbunden, als oft angenommen. "Jede zweite Banane etwa, die ein Kunde in deutschen Supermärkten kauft, wird mit einem Hafenmobilkran aus Benrath umgeschlagen", sagt Demag-Sprecher Nikolai Juchem.

(rc)
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