Aggressive Schüler, wütende Eltern Lehrkräfte in NRW erleben besonders häufig Gewalt

Düsseldorf · Völlig überlastete Kollegien und Attacken durch aggressive Schüler oder Eltern: Laut einer aktuellen Umfrage spitzen sich die Probleme an den Schulen in NRW auf alarmierende Weise zu.

 Eine Klasse im Unterricht (Symbolbild). In NRW erleben Lehrkräfte im bundesweiten Vergleich besonders häufig nicht-körperliche und auch körperliche Attacken.

Eine Klasse im Unterricht (Symbolbild). In NRW erleben Lehrkräfte im bundesweiten Vergleich besonders häufig nicht-körperliche und auch körperliche Attacken.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Es gibt Drohungen in der Klasse oder Schmähungen im Internet. Eltern treten aggressiv auf den Plan, weil sie mit der Notengebung nicht einverstanden sind, oder „Querdenker“ bauen sich vor Schulen auf und nehmen Beschäftigte wegen Corona-Maßnahmen ins Visier. Lehrkräfte in NRW erleben im bundesweiten Vergleich besonders häufig psychische oder körperliche Gewalt. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter Schulleitungen, die der Verband „Bildung und Erziehung“ (VBE) am Freitag vorgestellt hat.

„Geht es um Gewalt an Schulen, belegt Nordrhein-Westfalen in der Schulleitungsbefragung den ersten Platz“, resümierte Stefan Behlau, NRW-Landeschef des VBE. So sei es in drei Vierteln der NRW-Schulen im Laufe der vergangenen fünf Jahre zu nicht-körperlichen Attacken auf Personal gekommen. In fast der Hälfte der Schulen wurden in diesem Zeitraum Beschäftigte körperlich angegriffen.

Bundesweit liegen diese Werte bei 62 beziehungsweise 34 Prozent der befragten Schulen. Die Zahl gewalttätiger Übergriffe habe sich somit nun, nach einem starken Anstieg zwischen 2018 und 2020, auf einem Besorgnis erregend hohen Niveau eingependelt, umriss der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann die Entwicklung bei der Präsentation der Statistik. Etwa die Hälfte der Schulleitungen sehe Zusammenhänge mit der Corona-Pandemie. „Obwohl weder Schulleitungen noch Lehrkräfte die Verantwortung für politische Entscheidungen tragen, hat sich der gesellschaftliche Unmut über diese Maßnahmen am pädagogischen Personal in den Schulen entladen.“

Ein Skandal sei es, wenn Verwaltungsbehörden und Bildungsministerien Meldungen über Gewaltvorfälle nicht aufarbeiteten oder abblockten. „Wir brauchen eine verpflichtende Dokumentation von Vorfällen, die in Statistiken überführt und veröffentlicht werden“, forderte Beckmann.

Abgesehen von der Gewaltproblematik gebe es eine „kontinuierliche Zuspitzung“ der größten Schwierigkeiten, mit denen die Schulen kämpfen. Mit großem Abstand und immer drängender liegt dabei der Lehrkräftemangel vorne, gefolgt von Dingen, die mehr oder weniger direkt damit zusammenhängen: zu hohe Arbeitsbelastung, Zeitmangel, Herausforderungen bei Inklusion und Integration sowie Elternarbeit – und durch all das blieben wiederum Projekte zur Gewaltprävention auf der Strecke.

Der VBE macht die Landesregierungen direkt dafür verantwortlich, wie es an den Schulen läuft. „So dramatisch die Situation heute bereits ist: Wir sehen seit Jahren die Spitze eines Eisbergs und steuern dennoch immer weiter völlig unbeirrt darauf zu“, fasste es der NRW-Vorsitzende Behlau in Worte. Es gebe vereinzelte Maßnahmen, aber keine Kurskorrektur.

Zudem wecke die Politik bei den Eltern Erwartungen, die die Schulen gar nicht erfüllen könnten. Etwa beim Thema Digitalisierung: Viele Schulen seien einfach nicht gut genug ausgestattet. Die Verantwortlichen müssten ehrlich vermitteln, was die Schulen wirklich leisten könnten. „Ich glaube, dann haben wir auch weniger Gewaltvorfälle“, so Udo Beckmann.

Das NRW-Schulministerium von Dorothee Feller (CDU) will bis zum Jahresende ein Konzept mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen vorlegen, die für eine Entlastung der Personalsituation an den Schulen sorgen sollen.

„Mehr Lehrerinnen und Lehrer bedeuten mehr Zeit für Unterricht und auch mehr Zeit für präventive Aufgaben. Das betrifft vor allem auch die Gewaltprävention“, hieß es aus dem Ministerium. „Für die Landesregierung ist klar: Für Gewalt gibt es an den Schulen in NRW nicht einen Zentimeter Platz.“

Für das Konzept zur besseren Unterrichtsversorgung hätten inzwischen Gespräche mit den am Schulleben beteiligten Akteuren stattgefunden, von den Schulaufsichtsbehörden über Verbände bis zu Personalvertretungen. „Diese Rückmeldungen werden ausgewertet und in die Gesamtkonzeption mit eingezogen.“

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