Neuer Masterstudiengang rund um Arzneimittel Lernen, wie Medikamente optimal und sicher wirken

Einen neuen Masterstudiengang rund um die Sicherheit der Arzneimitteltherapie bieten die Universitäten Bonn, Heidelberg und Tübingen an. Er ist interprofessionell und richtet sich an alle Berufsgruppen, die am Medikationsprozess beteiligt sind.

 Der Masterstudiengang Arzneimitteltherapiesicherheit richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit Medikation zu tun haben.

Der Masterstudiengang Arzneimitteltherapiesicherheit richtet sich an alle Berufsgruppen, die mit Medikation zu tun haben.

Foto: dpa-tmn/ABDA

Mit Arzneimitteln ist es so eine Sache: Natürlich befreien sie von Schmerzen, unterstützen den Körper bei der Heilung und helfen, dass man sich besser fühlt. Dafür müssen sie aber korrekt eingenommen werden, etwa zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einer bestimmten Menge. Das eine Arzneimittel verträgt sich nicht mit dem anderen, und wenn der eine Arzt nicht weiß, was der andere verschrieben hat, oder der Pflegedienst keine Informationen darüber erhält, welche Medikation einem älteren Patienten im Krankenhaus verschrieben wurde, erzielt man keine Wirkung. Im schlimmsten Fall ist die Sicherheit des Patienten in Gefahr. Um die so genannte Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern, braucht es sensibilisierte Experten auf diesem Gebiet. Diese werden seit diesem Wintersemester an den Universitäten Bonn, Heidelberg und Tübingen in einem neuen Masterstudiengang Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ausgebildet.

„Die Arzneimittelanwendung ist ein komplexer Prozess, an dem viele Personen beteiligt sind“, sagt Judith Hildebrand, Koordinatorin des Masterstudiengangs AMTS an der Universität Bonn. „Dieser Prozess soll sicherer gemacht werden, indem alle beteiligten Berufsgruppen ins Boot geholt werden: Deshalb spricht unser Studiengang Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Pflegefachpersonen mit akademischem Hintergrund ebenso an wie Medizininformatiker oder Gesundheits- oder Qualitätsmanager.“ Die meisten dieser Berufsgruppen finden sich auch unter den ersten 23 Studierenden des neuen, interprofessionellen Studiengangs. „Die Studierenden arbeiten etwa in (Krankenhaus-) Apotheken, bei Krankenkassen, im Qualitätsmanagement oder in der Pflege“, so Judith Hildebrand. „Vor allem scheint die Arzneimitteltherapiesicherheit ein Herzensthema der Apotheker zu sein.“

Das primäre Ziel des neuen Studiengangs sei die Erhöhung der AMTS-Kompetenz der Studierenden, betont auch Professor Ulrich Jaehde, der den neuen Studiengang an der Universität Bonn leitet. Fehler im Medikationsprozess könnten nur vermieden werden, wenn sie erkannt würden. Dazu seien Detailwissen, Prozesskenntnisse und eine Bereitschaft zur unermüdlichen Wachsamkeit notwendig. „Die Studierenden lernen, AMTS-relevante Strukturen und Prozesse zu analysieren und zu verändern sowie Lösungen im interprofessionellen Team zu erarbeiten.“ Auf diese Weise werde die Sicherheit des Medikationsprozesses erhöht, die Patienten und ihre Sicherheit stünden dabei stets im Fokus. Dazu tragen auch die Interprofessionalität und der Austausch beruflicher Erfahrungen unter den Studierenden bei. „In den grundständigen Studiengängen wird ein interprofessionelles Arbeiten kaum erlernt. Diese Lücke möchten wir hier schließen, das ist eines der Alleinstellungsmerkmale des Studiengangs“, sagt Professorin Cornelia Mahler, Studiengangsleiterin an der Universität Tübingen.

Eine weitere Besonderheit des Masters ist das sogenannte „Blended-Learning", also die Verzahnung von Präsenzlehre, Online-Elementen und Selbststudium. „Uns ist wichtig, dass der Masterstudiengang berufsbegleitend studierbar ist. Der Blended-Learning-Ansatz erlaubt den Studierenden deutlich mehr zeitliche Flexibilität als in einem reinen Präsenz-Studiengang und soll gleichzeitig aktivierender sein als ein reiner Online-Studiengang. Studien zeigen, dass mit dem Blended-Learning gute Lernergebnisse erzielt werden können", so Professorin Hanna Seidling, Studiengangsleiterin an der Universität Heidelberg. Konkret heißt das: 80 Prozent der Inhalte des Studiums finden online statt. Für die Studierenden, von denen viele beruflich stark eingebunden sind, bedeutet das: Gelernt werden kann, wann immer es gerade passt. Dazu kommen Präsenzwochenenden an den beteiligten Universitäten und Online-Studientage am Wochenende, sodass pro Monat etwa eine Wochenend-Veranstaltung stattfindet. Außerdem kann der auf vier Semester angelegte Masterstudiengang auf acht Semester gestreckt werden. Zudem sind in den Masterstudiengang verschiedene Zertifikatskurse integriert, die eine Alternative bei knappen zeitlichen Ressourcen, oder zum Erreichen individueller Lernziele bieten „Uns ist es sehr wichtig, dass der Studiengang zum Leben unserer Studierenden passt“, betont Judith Hildebrand. „Natürlich unterstützen wir bei der Organisation und strukturieren in einem individuellen Studienkalender dieses berufsbegleitende Angebot.“ Übrigens seien die Studierenden nicht nur von ihren Berufen her eine bunt gemischte Gruppe: „Auch vom Alter her sind sie sehr heterogen, von Ende 20 bis Anfang 60. Alle profitieren voneinander: Die Jüngeren von der Berufserfahrung der Älteren, und umgekehrt die Älteren vom frischen Uni-Wissen der Jüngeren.“

Wichtig ist: Der Studiengang vermittelt keine medizinischen Grundlagen, sondern die Fähigkeit, Prozesse zu steuern und zu verändern. „Unsere Studierenden sollen AMTS-Probleme identifizieren lernen. Beispielsweise, wenn ein älterer Patient aus dem Krankenhaus kommt, und für zu Hause keinen Therapieplan dabei hat der besagt, wann er welches Medikament einnehmen muss. Oder wenn die Heilberufler die Patienten nicht mit ins Boot holen: Denn für eine gute und gelingende Medikation ist es wichtig, dass der Patient weiß, warum er ein Medikament einnehmen muss – und auch wie und wann“, so Judith Hildebrand. Die Studierenden sollen an ihrem Arbeitsplatz Maßnahmen entwickeln und implementieren, mit denen die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht wird – und diese so in die Breite tragen. „So steigt dann insgesamt die Sensibilität für das Thema.“ In einem Gesundheitssystem, dessen Ressourcen begrenzt seien, spiele natürlich auch Effizienz eine Rolle: Wenn Medikamente verschrieben und bezahlt werden, die dann nicht wirken oder gar nicht erst eingenommen werden oder Patienten durch Arzneimittelnebenwirkungen weitere Behandlungen benötigen, entstehen auch unnötige Kosten.

Dass Expertise für AMTS dringend gebraucht wird, zeigt auch, dass die Einrichtung und Evaluation des Studiengangs vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des fünften Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit gefördert wird. „Es werden professionell ausgebildete AMTS-Manager gebraucht, die sich in den verschiedenen Disziplinen austauschen, zusammenarbeiten und so Zunftdenken überwinden“, sagt Anne Dwenger, Leiterin des Referats Arzneimittelsicherheit im Bundesgesundheitsministerium. Um von Anfang an eine hohe Qualität zu gewährleisten, wird das Zentrum für Evaluation und Methoden (ZEM) der Universität Bonn eine umfassende Evaluation des Studiengangs durchführen, die nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende und Arbeitgeber einschließt.

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