Die Konstantinische Schenkung und ihre Folgen Der Betrug mit Silvester

Analyse | Rom · Der letzte Tag im Jahr ist nach einem Papst benannt. Außerdem wurde in seinem Namen ein Betrug begangen, der über die Jahrhunderte die weltliche Macht der Kirche sicherte. Ein Rückblick zum Jahreswechsel.

Die Konstantinische Schenkung an Papst Silvester.

Die Konstantinische Schenkung an Papst Silvester.

Foto: IMAGO/Heritage Images/IMAGO

Der wohl größte Betrug der Kirchengeschichte ist eng mit dem Namen des Mannes verbunden, der dem letzten Tag des Jahres seinen Namen gibt: Silvester. Dabei war dieser Papst ganz sicher unschuldig an der Urkundenfälschung, die ab dem Mittelalter die weltliche Macht seiner Nachfolger über die Jahrhunderte sicherte und selbst Könige und Kaiser (wie Karl den Großen oder Friedrich Barbarossa) in die Schranken wies. Silvester aber, in der Urkunde als angeblicher Empfänger und Nutznießer genannt, hat das Pergament nie zu Gesicht bekommen. Es wurde erst Jahrhunderte nach seinem Tod in betrügerischer Absicht kunstfertig verfasst und nennt, welch ein Frevel, als vermeintlichen Urheber und Stifter den römischen Imperator Konstantin.

Kaiser Konstantin soll Silvester aus Dankbarkeit für die Heilung von schwerer Krankheit die Stadt Rom und alle westlichen Lande und Städte überlassen, ihm Krone und Purpurmantel überreicht und ihn damit zum weltlichen Herrscher gemacht haben. Die Urkunde zur Konstantinische Schenkung – so etwas wie der gefälschte Grundbucheintrag des Vatikans – entstand wohl 754, also mehr als vier Jahrhunderte nach der in der Legende beschriebenen Wunderheilung. Gefertigt wurde die Fälschung womöglich sogar im Rheinland, denn einige Historiker vermuten die kunstfertigen Schwindler und Betrüger in einem westfränkischen Kloster, andere im päpstlichen Umfeld in Rom.

Wie so häufig gibt es auch bei der Konstantinischen Schenkung einen wahren historischen Kern. Kaiser Konstantin hatte (312) im Zeichen des Kreuzes seinen Widersacher an der Milvischen Brücke besiegt und deshalb den Christen große Freiheiten eingeräumt. Die Legende besagt nun, dass er von Papst Silvester durch die Taufe vom Aussatz befreit wurde. Darauf fußt die Fälschung, die geschickt Bezug nimmt auf die historisch belegte Entscheidung des Kaisers, seinen Regierungssitz ins spätere Konstantinopel zu verlegen. Schon deshalb erscheint die angeblich Schenkung zunächst glaubhaft, zumindest nachvollziehbar. Zudem lässt der Text Papst Silvester im besten Lichte erscheinen.

Denn der wohltätige, bescheidene Pontifex habe, so heißt es, trotz der gewonnenen Machtfülle auf die goldene Krone verzichtet. In späteren Zeiten aber war die Tiara, die dreistufige Papstkrone, demonstratives Zeichen der weltlichen Macht der Päpste. Erst Benedikt XVI. gab in seinem Wappen die Krone als Machtsymbol auf. Der kleine Vatikanstaat ist der letzte Rest dieser großen Herrlichkeit, die auf einen fulminanten Schwindel beruhte, der aber erst im 15. Jahrhundert wegen sprachlicher Ungereimtheiten aufgedeckt wurde. Da war die Urkunde schon vielfach in Klöstern kopiert und als kirchenrechtlicher Machtanspruch verbreitet worden. Erst durch die Reformation wurde der Betrug allgemein bekannt. Für Luther waren die Spätfolgen davon Anlass, im Papsttum mit seinem Prunk und Pomp den Antichristen zu sehen.

Papst Silvester, dessen Namen bis heute mit einem der größten Bluffs der Geschichte verknüpft wird, starb am 31. Dezember 335. Als erster Papst, der nicht den Märtyrertod erlitten hatte, wurde er heiliggesprochen. Als Schutzpatron für die Haustiere wird er im katholischen Heiligenkalender geführt. Für den amtierenden Papst Franziskus scheint sein Vorgänger Silvester ein Vorbild zu sein, was das bescheidene Auftreten anbelangt. Schon Benedikt hatte auf den Titel Patriarch des Abendlandes verzichtet. Franziskus hat die prunkvollen Gewänder abgelegt. Für ihn bleibt als wahres Vermächtnis des heiligen Silvester das erste christliche Glaubensbekenntnis, das während dessen Pontifikat beim Konzil von Nicäa festgelegt wurde. Für das Credo aber gilt, was die vermeintliche Konstantinische Schenkung zu Unrecht als Anspruch geltend machte – bis in alle Zeiten zu bestehen.

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