Katholische Kirche im Kampf um Reformen Die Frage der Macht

Frankfurt · Analyse Auf der zweiten Synodalversammlung stehen Hierarchie, Rechte für Laien und Gewaltenteilung in der Kirche im Mittelpunkt. Der vielfältige Machtmissbrauch wird von vielen Geistlichen als Ursache für den großen Vertrauensverlust der Kirche gesehen.

 Bischöfe beim Auszug nach dem Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2019 im Fuldaer Dom.

Bischöfe beim Auszug nach dem Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2019 im Fuldaer Dom.

Foto: dpa/Arne Dedert

Macht in der Kirche ist nicht alles. Aber sie ist viel. Und sie kreist nicht nur um die Frage, wer Bischöfe künftig wählen könnte, wer sie kontrollieren werde und ob ihre Amtszeiten begrenzt sein sollten. Dennoch haben gerade diese Fragen mit den Pflichtverletzungen Kölner Bischöfe und deren Rehabilitierung durch Papst Franziskus der Debatte beim Synodalen Weg eine zusätzliche Dynamik bekommen.

Macht und Machtmissbrauch sind vielleicht die sensibelsten Themen der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt. Das hatte sich schon im Vorfeld abgezeichnet. Mehr als 230 Änderungsanträge hatte das entsprechende Forum im Vorfeld zu bearbeiten.

Die Frage der Macht ist eine Frage nach der Zukunft von Kirche. Mit ihrer eigenen Rechtsordnung steht sie in der Kritik, Menschen zu diskriminieren, demokratische Standards zu unterlaufen und sich gegenüber Kritik zu immunisieren, indem man sich auf die Lehre und die Institution zurückzieht, heißt es.

Will Kirche aber geistliche und moralische Autorität beanspruchen, wird sie ihr Verständnis und den Gebrauch von Macht überprüfen müssen. Schließlich sei Kirche kein Selbstzweck, sondern Zeichen und Werkzeug, so Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, der das entsprechende Forum leitet. Das große Ziel von Kirche ist es nach seinen Worten, Menschen mit Gott und untereinander in Verbindung zu bringen.

Wie heikel Macht ist und wie sensibel der Umgang mit ihr sein muss, zeigt sich in vielfältigem Machtmissbrauch der Kirche: im geistlichen wie sexuellen Missbrauch, in mangelnder Geschlechtergerechtigkeit, im beschränkten Zugang zu den Ämtern und in der Überhöhung des Amtes selbst, die bislang vor kritischen Fragen und Kontrolle schützt.

Dieser komplexe Missbrauch religiöser Macht sei ursächlich für den immensen Vertrauensverlust. Und der ist zählbar: Allein 2019 haben mehr als 270.000 Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt; das sind inzwischen doppelt so viele wie 1990.

In der Machtfrage geht es – salopp gesprochen – ans Eingemachte. Auch darum gab es bereits Kommentierungen aus Rom, so von Kurienkardinal Walter Kasper, der den Synodalen vorwarf, sie wollten die Kirche gleich neu erfinden. Auf ihn berief sich der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in der Versammlung und sprach von einer „dogmatischen Überhöhung der Missbrauchsstudie“, die zum Ausgangspunkt aller Reformüberlegungen gemacht wurde. Von einem Missbrauch der Missbrauchsstudie war die Rede. Die Synodalversammlung kollabierte an dieser Debatte zwar nicht, aber sie machte anschaulich, wie tief die Gräben sind. „Der Synodale Weg hat die Kirche in Deutschland nicht polarisiert. Er hat aber die Polarisierungen, die es längst gab, viel stärker zu Tage treten lassen. Nur hat man darüber nicht gesprochen“, sagte uns der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Rande der Versammlung.

Teilung und damit Abgabe von Macht werde nach den Worten von Kardinal Reinhard Marx ohne die Selbstverpflichtung der Bischöfe kaum ankommen. Aber auch das gab Marx Kritikern zu bedenken: „Kirche ist ein Teil der Gesellschaft, sie ist nicht vom Himmel gefallen.“ Der Ort der Kirche ist die Welt.

Für die Synodalen ist das ein wesentlicher Impuls. Man sei dankbar für die öffentliche Kritik, die hoffentlich „segensreiche Wirkung“ entfalte: mit dem Verzicht kirchlicher Sonderrechte in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Und so wird eine Reform kirchlicher Machtverhältnisse nicht als „Manöver zeitgeistiger Anpassung“ verstanden. Dabei berufen sich viele Synodale auf Papst Franziskus, wonach die Zeit wichtiger sei als der Raum und die Wirklichkeit über der Idee stehe.

In diesem Sinne zeitlos bleibt das Thema der Frauenordinantion: „In einer Gesellschaft, in der Geschlechtergerechtigkeit eine große Rolle spielt, kann man die Frage nach der Frauenordination nicht einfach vom Tisch wischen. Natürlich wird das als diskriminierend empfunden. Es ist darum gut, dem Papst zu signalisieren, dass diese Diskussion in der Kirche eben noch nicht vom Tisch ist“, so Bischof Kohlgraf.

Je konkreter die Synodalen werden, desto schwieriger wird es, insbesondere kirchenrechtlich. Werden Laien künftig auch in Eucharistiefeiern an Sonn- und Feiertagen predigen oder an „Bischofsbestellungen“ mitwirken dürfen? All das würde weitreichende Konsequenzen haben. Aber genau daran zeige sich, so die Erfurter Theologin Julia Knop, wie ernst man es mit den Reformen meint: „Wir sind ja nicht hier, weil alles so super läuft. Wir brauchen also Rechtssicherheit für die strukturelle Beteiligung von Gläubigen.“ Und wie zu vielen Lebenslagen findet sich in der Bibel auch dazu der passende Kommentar, diesmal im Brief an die Galater: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen.“

Was bleibt? Der Anstoß zu allen Reformen mit dem Ruf der Betroffenen sexualisierter Gewalt. Der Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz, Mitglied des DBK-Betroffenenbeirats, hielt den Delegierten vor: „Was ist das für eine Kirche, die heilen soll und die durch die Ausgrenzung von Frauen und ihrer Sexualmoral weitere Wunden schlägt? Was ist das für eine Kirche, die von sündigen Strukturen spricht, die aber ihre Strukturen nicht ändern will?“ Daran werden die Synodalen auf ihrem Weg nicht vorbeikommen.

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