H.P. Baxxter „Musik hat heute keinen Tiefgang mehr“

Interview · Der Kopf der Band Scooter, H.P. Baxxter, spricht über guten Stil, seine Abneigung gegen Turnschuhe und seine Lektüre im Malediven-Urlaub.

 Stilbewusst: H. P. Baxxter (55) ist der Kopf der Band Scooter.

Stilbewusst: H. P. Baxxter (55) ist der Kopf der Band Scooter.

Foto: dpa/dpa, ahe soe

Vor 25 Jahren erschien „Hyper, Hyper“, die erste Single von Scooter. Das Stück ist längst ein Klassiker, ebenso wie die Scooter-Verse „Respect to the man in the ice-cream van“ und „How much is the fish?“. Techno zum Mitgrölen, Selbstironie inklusive. Die Band ist ein Exportschlager – man muss sich bei Youtube nur mal Szenen von ihren Konzerten in England und Russland ansehen. Kopf der Gruppe und einziges verbliebenes Gründungsmitglied ist H.P. Baxxter, der vor 55 Jahren als Hans Peter Geerdes in Leer in Ostfriesland geboren wurde. Weiße Haare, Ohrring: Der Mann ist eine Marke. Seinen Bekanntheitsgrad steigerte er als Juror bei „Deutschland sucht den Superstar“. Am 1. Mai tritt er mit Scooter bei der c/o pop in Köln auf. Und das ist ein guter Anlass, sich mit ihm zu unterhalten – über Stil. Wir erreichen ihn an seinem Wohnort Hamburg auf dem Handy. Er spricht mit deutlich norddeutscher Färbung und wirkt tiefenentspannt.

Hallo.

H.P. Baxxter Ja, Hallo.

Wir sind verabredet.

Baxxter Ja, genau. Aber ich muss noch eben kurz zum Geldautomaten.

Sollen wir lieber später reden?

Baxxter Ja, das wär gut. Ich sag mal: Viertelstunde, 20 Minuten. Dann bin ich nämlich schön im Auto.

Okay, bis gleich

Baxxter Bis gleich.

(20 Minuten vergehen)

Hallo.

Baxxter Hallo. Jetzt geht’s besser.

Wohin fahren Sie eigentlich?

Baxxter Zum Friseur-Termin.

Und in welchem Auto sitzen Sie?

Baxxter Also, im Moment sitze ich ausnahmsweise mal nicht im Oldtimer, sondern im Jaguar F-Type, das ist ein neuer.

Sie haben aber auch einen alten Rolls Royce, einen Bentley und einen Aston Martin, oder?

Baxxter Das mit den englischen Oldtimern ist mein größtes Hobby. Man braucht ja irgendeinen Ausgleich. Das beruhigt mich, wenn ich in so einem alten Auto sitze.

Warum englische Autos?

Baxxter Die Zuneigung zur englischen Kultur hat sich bei mir so entwickelt. Mein erstes Auto war ein alter Mini Cooper. 1992 war das.

Wann ist Ihre Liebe zu England entflammt?

Baxxter Als ich acht oder neun war. Da fand ich Glam-Rock ganz toll: T.Rex, Slade und Sweet. Und dann ging das weiter mit Led Zeppelin und Deep Purple. Und dann zur New-Wave-Zeit The Cure, Smiths und Soft Cell. Alles Leute aus England. Ich hatte nie so den Draht zu amerikanischen Bands. In den frühen 1980ern war ich das erste Mal in London. Das war eine andere Welt. Da war ich total beeindruckt. Ich bin mit einem Freund auf dem Rad durch die Stadt gefahren. Und was ich da gesehen habe, hat mich unheimlich geprägt.

Diese Lebensphase ist ohnehin wichtig: Was man als Jugendlicher lieben lernt, prägt einen auf ewig.

Baxxter Ja, stimmt. Musik war als Kind für mich schon sehr wichtig. Ältere Nachbarn haben manchmal auf mich aufgepasst, und durch die bin ich mit Popmusik in Berührung gekommen. Heavy Rock oder New Wave: Aus jeder Phase höre ich die wichtigsten Sachen immer noch sehr gerne. Ja, und mit 27 ging das dann mit Techno los. Die Rave-Ära war fast wie eine zweite Jugend für mich.

Heute ist Musik nicht mehr so wichtig für Jugendliche, heißt es.

Baxxter Ich habe keine Kinder, aber ich erlebe das bei den Kindern meiner Schwester. Die sind Anfang 20, und sie kennen alle Klassiker aus meiner Jugend: Dire Straits, Pink Floyd. Ich glaube, dass diese Sachen für Kids von heute etwas Klassisches geworden sind. Die haben sowas ja gar nicht mehr. Die heutigen Sachen haben so etwas Kaugummi-Mäßiges. Das geht rein und wieder raus. Man hört was, und dann ist es wieder weg. Bis auf wenige Ausnahmen fehlt jeglicher Tiefgang.

An Musik hängen keine Jugend-Bewegungen mehr.

Baxxter Das vermisse ich auch, dass die sich abgrenzen wollen vom Mainstream. Das gibt es gar nicht mehr.

Ist das denn schlimm?

Baxxter Heute hat nichts mehr Gültigkeit von dem, womit man selbst aufgewachsen ist. Werte wandeln sich.

Wie meinen Sie das?

Baxxter In meiner Jugend war Kommerz ein absolutes Schimpfwort. Damit wollte niemand was zu tun haben. Und heute ist es nur noch Luxus, Luxus, Luxus. Viel Geld ausgeben ist schick. Das hat sich ins Gegenteil verkehrt. Da denkt man schon: irgendwie merkwürdig. Aber die Generation, die heute zugange ist, für die ist das normal. Die denkt wahrscheinlich, die Alten spinnen. Und genau so war es ja immer.

Auf Ihren Stil bezogen: Ist New Wave der wichtigste Einfluss?

Baxxter Bestimmt, vielleicht auch unbewusst. Aber auch Punk. Wave war ja eher kühl, und ich mochte auch das Wilde des Punk.

Haben Sie eigentlich einen Fahrer?

Baxxter Ich fahre grundsätzlich selbst. Es wäre ein Alptraum, wenn ich nicht selber fahren könnte.

Was hören Sie beim Fahren?

Baxxter Wenn ich alleine im Auto bin, höre ich oft Musik. Hörbücher habe ich auch schon versucht. Manchmal denke ich aber auch einfach nach.

Sind Sie ein Leser oder eher nicht?

Baxxter Beides, das ist verrückt. Im Alltag finde ich fast nie die Zeit. Leider! Ich lese nämlich unheimlich gerne. Das habe ich jetzt im Malediven-Urlaub wieder gemerkt. Wenn ich da so zehn Tage nur am Strand liege, lese ich so viel wie sonst im ganzen Jahr nicht.

Was denn?

Baxxter „Wittgensteins Neffe“ von Thomas Bernhard. Das kannte ich noch nicht, obwohl ich sonst ja fast alles von ihm gelesen habe. Das war wieder sehr amüsant. Dann habe ich „Serotonin“ von Michel Houellebecq gelesen; hat mir auch gut gefallen. Dann von Sebastian Fitzek so einen dicken Thriller: „Das Paket“. Und ein englisches Buch über die Band The KLF. Das ist interessant, wie das alles bei denen entstanden ist. Die haben uns ja sowieso sehr beeinflusst, daraus ist Scooter entstanden.

Aus der Idee KLF?

Baxxter Die waren der Startschuss für mich. Ich habe damals im Radio deren Song „What Time Is Love?“ gehört und dachte: Das ist ja der Hammer! Über die bin ich in die Techno-Geschichte eingetaucht. Bei unserer Debüt-Single haben wir eine Live-Crowd reingemischt, als wären wir im Stadion. Wie bei „What Time Is Love?“. Und dann dieser Humor. Das haben wir uns alles bei The KLF abgeschaut.

Warum kommen Sie im Alltag nicht zum Lesen?

Baxxter Ich bin immer in Action. Ich komme abends aus dem Studio, und dann muss ich neuerdings die Hunde versorgen, danach bin ich so geschafft, dass ich mich nur noch von einer Serie berieseln lassen kann. Aber ich habe mir vorgenommen, die Zeiträume einfach zu schaffen: Dass man sich sonntags mal einen Nachmittag hinsetzt und liest, wenn es regnet oder so.

Sie haben jetzt Hunde?

Baxxter Zum Klischee vom englischen Landleben gehören mindestens zwei Hunde. Und über einen Freund bin ich zu zwei Jack-Russel-Terriern gekommen. Welpen. Die sind total süß, aber auch anstrengend, weil sie noch nicht stubenrein sind.

Was ist für Sie guter Stil?

Baxxter Wenn jemand sein eigenes Ding macht und nicht nur das, was man in einer Zeitschrift sieht oder alle machen. Also das Individuelle. Dazu gehört auch eine gewisse Treffsicherheit. Viele liegen ja haarscharf daneben. Ich bilde mir ein, einen Blick dafür zu haben, ob jemand Stil oder einfach bloß Geld hat und sich teure Sachen kauft.

Welche Mode verstehen Sie nicht?

Baxxter Den Sneaker-Wahn kann ich nicht nachvollziehen.

Welche Schuhe tragen Sie denn?

Baxxter Santoni-Schuhe. Damit fühle ich mich einfach angezogen. Im Sommer gerne auch Sneaker von Santoni, die sind aber ein bisschen schicker.

Sie sind 55. Für einen Techno-Musiker ziemlich alt. Freuen Sie sich auf die Rente?

Baxxter Nee, ich glaube, den Part lasse ich aus.

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