Filmkritik zu „Hyperland“ Wie viel ist ein Mensch wert?

Düsseldorf · Wer Gutes tut, dem widerfährt Gutes. Nach diesem Prinzip funktioniert die Welt von „Hyperland“, dem Spielfilmdebüt von Mario Sixtus. Die Hauptdarstellerin muss jedoch feststellen, dass auch maximale Transparenz manipulierbar ist.

 Cee (Lorna Ishema) muss sich in der dystopischen Welt von Hyperland den Auswirkungen einer Rufmordkampagne stellen.

Cee (Lorna Ishema) muss sich in der dystopischen Welt von Hyperland den Auswirkungen einer Rufmordkampagne stellen.

Foto: Filmstill Hyperland

Was ist es, was einen Menschen wertvoll für eine Gesellschaft macht? Dieser Frage geht Mario Sixtus in seinem neuen Film „Hyperland“ nach. Darin gerät eine junge Frau in einer dystopischen Zukunft in einen Shitstorm, der bald schon ihre gesamte Existenz in Gefahr bringt.

Cee, gespielt von Lorna Ishema, ist Musikagentin. Die Welt, in der sie lebt, wirkt sauber, aufgeräumt und maximal transparent. Über Geräte, die allen Menschen in die Schläfen implantiert sind, sind alle Bewohner dieser Welt verbunden. Sie kommunizieren über Videos, die direkt in ihren Kopf gespielt werden und für die Zuschauer sichtbar an Hauswänden sind. Mit kleinen Handbewegungen markieren sie alles und jeden mit einem kleinen Herz oder einem Kreuz, Zustimmung und Ablehnung.

Die wichtigste Währung in dieser Welt ist der „Carma Count“. Je besser der Ruf einer Person, desto höher dieser Zahlenwert. Alles hängt davon ab: Welchen Beruf kann die Person ausüben, zu welchen Gebäuden hat sie Zugang, wie viele Menschen sehen, was die Person in den digitalen Äther sendet? Rückblenden verraten, dass Cee nicht immer Teil dieses Netzwerks war.

Eine Begegnung auf einer Party verwickelt Cee dann in einen Krieg, wie sie es selbst nennt. Schnell findet sie sich am unteren Rand der Gesellschaft wieder, bei den Zeros. Bei den Menschen, deren Carma Count auf null steht.

Dahinter steht die Frage, wie viel ein Mensch denn nun wert ist. Dahinter steht aber auch, wem in der digitalen Welt Glauben geschenkt werden kann. Es ist nicht zu viel verraten zu sagen, dass diese Person nicht zwangsläufig diejenige ist, die auch die Wahrheit sagt.

Der in Ratingen geborene Mario Sixtus, Regisseur und Autor des Filmes, ist das, was viele als „Internet-Experten“ bezeichnen würden. Er war als Blogger, Autor und Filmemacher tätig und ist besonders Nutzern des Kurznachrichtendienstes Twitter ein Begriff.

„Hyperland“ ist Sixtus erster Spielfilm. Das Tempo darin ist hoch, die Erzählweise nicht chronologisch. Zusammengehalten wird die Geschichte von Cee. Lorna Ishema spielt diese Rolle ruhig, fast in sich gekehrt. Die Zuschauer sind in ihrem Kopf, verstehen gemeinsam mit ihr erst nach und nach, wie viele verborgene Akteure an der scheinbar perfekten Welt von Hyperland arbeiten.

Besonders, fast schon ungewohnt, ist auch der Soundtrack dieses Films, der zu großen Teilen in NRW gedreht wurde. Digitale Störgeräusche fordern die Zuschauer, lenken die Aufmerksamkeit immer wieder auf das Flimmernde, das auch bildlich immer wieder verzerrt wird, bevor zum Ende auch Cees persönliche Geschichte mit Hyperland zusammenfließt. „Menschen sind hyperaktive Äffchen“, heißt es im Film, ihre kurze Aufmerksamkeitsspanne müsse immer wieder neu gelenkt werden. Sixtus Film lässt dem Zuschauer gar nicht erst genug Zeit, den Fokus zu verlieren. Erst im Nachgang stellt er sich die Frage: Wie viel ist ein Mensch wert?

„Hyperland“, Deutschland 2021, 106 Minuten, Regie: Mario Sixtus, mit Lorna Ishema, Samuel Schneider, Maximilian Pekrul, Reza Brojerdi und Gerti Drassel. Ab 8. November in der ZDF-Mediathek, am 22. November im TV.

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