„Plague Inc.“ Das Spiel mit Virus

Düsseldorf · Seit acht Jahren gibt es die Spiele-App „Plague Inc.“. Darin kontrolliert man eine Infektionskrankheit mit dem Ziel, die Menschheit zu vernichten. Durch Sars-CoV-2 erlebt die App erneut einen Höhenflug. China hat es nun aus dem App-Store verbannt.

 Ein Screenshot aus dem Spiel „Plague Inc.“

Ein Screenshot aus dem Spiel „Plague Inc.“

Foto: Screenshot

Die Angst greift um sich mit jeder Nachricht zum Coronavirus, der nun den Namen Sars-CoV-2 trägt – und die Krankheit Covid-19 verursacht. Weil diese Furcht aber etwas Diffuses ist, gibt es ein Mittel dagegen: der spielerische Umgang mit der Infektion. Und das erlaubt die App „Plague Inc.“.

Seit 2012 übernimmt man bei dem simpel aufgebauten Programm die Kontrolle über eine Infektionskrankheit. Man wählt, ob es ein Bakterium sein soll, ein Pilz, ein Parasit oder eben ein Virus. Dann sucht man sich einen von drei Schwierigkeitsgraden aus, von den die ersten beiden keine allzu große Herausforderung darstellen und eher unrealistisch sind: Ärzte arbeiten nicht rund um die Uhr oder nur an ein paar Tagen in der Woche, die Hygiene bewegt sich auf einem Tiefstand. Kranke werden kaum isoliert. Der dritte Schwierigkeitsgrad bewegt sich da näher an der Wirklichkeit. Allerdings ist der Glaube, dass sich jeder weltweit mehrmals am Tag die Hände wäscht, auch schon wieder illusorisch.

Dann beginnt die strategische Planung als Virus. Wo soll man ausbrechen? In dicht besiedelten Regionen steigt die Chance für eine schnelle Verbreitung. Aber je wohlhabender ein Land ist und je besser es eine Gesundheitsversorgung gewährleisten kann, desto schneller wird die neue Erkrankung identifiziert – und es läuft die Suche nach einem Heilmittel oder Impfstoff an. Zudem werden schnell Quarantäne-Maßnahmen ergriffen.

Tatsächlich erweist sich China als eins der idealen Startländer, wenn man öfter gespielt hat. Vorausgesetzt man übertreibt es nicht mit der Wirkung einer Infektion. Gerade anfangs sollte die Krankheit eher harmlos sein mit unspezifischen Symptomen, damit sie nicht so schnell auffällt.

Über Punkte, die man dann aber für die Zahl der Betroffenen und die Verbreitung in andere Länder erhält, kann man Mutationen einsetzen. Und über Genveränderungen lassen sich neue Infektionswege hinzufügen und die Verbreitung mit Schiffen oder Flugzeugen beispielsweise fördern. Auch die Krankheitsbilder können immer gravierender bis tödlich werden. Zudem kann man über Mutationen noch die Forschung an Medikamenten sabotieren. Das morbide Ziel: Nicht nur alle Menschen weltweit sollen infiziert werden, sondern am Ende möchte man uns als Spezies auslöschen.

Es ist ein Spiel mit der Angst. Und jedes Mal, wenn eine reale Infektionskrankheit die Welt verunsichert, steigen die Downloadzahlen für die App. Das war so bei der Ebola-Epidemie zwischen 2014 und 2016. Das ist jetzt wieder der Fall, wie der Entwickler Ndemic Creations nun in einer Mitteilung schreibt. Mit dem deutlichen Hinweis, dass es sich um ein Spiel handelt – und nicht um eine wissenschaftliches Modell. „Der derzeitige Ausbruch des Coronavirus ist eine sehr reale Situation, die eine gewaltige Zahl von Menschen betrifft.“ Informationen dazu sollte jeder darum nur von den zuständigen nationalen oder globalen Institutionen beziehen.

Aber woher kommt dann die Lust am virtuellen viralen Untergang? Es ist ein Spiel mit dem „Was wäre wenn“. Und gerade auf dem realistischen, höchsten Schwierigkeitsgrad scheitert der Spieler mit der Infektionskrankheit sehr, sehr oft. Das ist die Katharsis, die einem die Angst nimmt: Die Welt wird nicht durch das Coronavirus untergehen. Es versichert einem, dass die Szenarien aus düsteren Endzeit-Filmen wie „I am Legend“ und „12 Monkeys“ oder Serien wie „The Last Ship“ und „The Walking Dead“ nicht so einfach wahr werden. Auch jetzt nicht.

Tatsächlich ist Sars-CoV-2 bislang keine zerstörerische Geißel der Menschheit. Das Virus ist hoch infektiös. Die Symptome sind unangenehm und bisweilen heftig. Aber die Sterblichkeitsrate liegt lauf dem Robert-Koch-Institut weltweit bei derzeit zwei Prozent. So tragisch und traurig das im Einzelfall ist, es bedeutet nicht das Ende der Menschheit – wie man auch durch „Plague Inc.“ lernt.

Und Mutationen des Virus sind zwar immer möglich. Doch die sind in der Wirklichkeit zufällig. Anders als im Spiel steht dahinter niemand, der zielgerichtet das Genom verändert – um Sars-CoV-2 ansteckender oder tödlicher zu machen. Oder um die Entwicklungen von Heilmitteln zu sabotieren. Tatsächlich ist das Spiel da informativ und lehrreich. Man erfährt so spielerisch, wie viele Faktoren und Bedingungen zusammenkommen müssen – damit aus einem Virus eine existenzbedrohende Pandemie wird. Und das gibt „Plague Inc.“ etwas Beruhigendes. Trotz aller dramatischen Entwicklung in der echten Welt wird man versichert, dass das Ende der Menschheit nicht bevorsteht. Und damit ist es auch wieder ein Heilmittel: gegen jede Panikmache.

An sich ist das etwas Gutes. Aber da die App in China massenhaft heruntergeladen worden ist, hat die Regierung nun reagiert: „Plague Inc.“ wurde am 27. Februar in dem Land aus dem App Store verbannt. Teile des Spiels sein illegal. Die Hintergründe sind auch für den Entwickler unklar. Vielleicht stört man sich an der negativen Darstellung Chinas als Ursache für ein weltweites Problem. Denn die Mehrzahl der Spieler wird den Ausbruch des Coronavirus simuliert haben.

(RP)
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