Angst vor Jobverlust durch US-Strafzölle Deutsche Top-Ökonomen fordern schnelle Gegenwehr

Berlin/Washington · Gewerkschaften und Industrieverbände warnen vor den Folgen einer Abschottung des amerikanischen Stahl- und Aluminiummarktes. Präsident Trump zeigt sich unbeeindruckt. Deutsche Ökonomen fordern eine schnelle Gegenwehr der EU.

Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Zölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium zu erheben, hat am freitag Unruhe rund um den Globus ausgelöst. Die Börsenkurse in mehreren Ländern gaben massiv nach. Der deutsche Leitindex Dax brach zeitweise um 300 Punkte ein und rutschte unter 12.0000 Punkte.

Trump hatte am Donnerstag nach einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern angekündigt, in der kommenden Woche Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl in Höhe von 25 Prozent und auf Aluminium in Höhe von zehn Prozent zu verhängen. Der Präsident verteidigte am Freitag noch einmal sein Vorgehen: Die amerikanische Stahlindustrie sei in schlechter Verfassung, schrieb er beim Kurznachrichtendienst Twitter. "Wenn man keinen Stahl hat, dann hat man keinen Staat!" Der Präsident schrieb auch: "Wenn ein Land (USA) viele Milliarden Dollar verliert durch Handel mit fast jedem Land, mit dem es Geschäfte macht, sind Handelskriege gut und leicht zu gewinnen."

Europa, Kanada, Brasilien, Mexiko sowie China kündigten Gegenmaßnahmen an und mahnten die USA zur Zurückhaltung. Die EU-Kommission könnte bereits am Mittwoch Vergeltungsmaßnahmen einleiten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ ihren Sprecher Steffen Seibert erklären: "Die Bundesregierung lehnt solche Zölle ab." Ein Handelskrieg könne "in niemandes Interesse sein". Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, warnte vor einer "Spirale des Protektionismus", die auch Jobs in den USA koste. Der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, er sehe die Entwicklung mit "größter Sorge".

Auch die IG Metall sieht durch die Pläne Jobs bedroht - nicht nur in den Vereinigten Staaten: "Einfuhrzölle in den USA werden auch Konsequenzen für die Beschäftigung hierzulande haben", sagte der Stahl-Experte der Gewerkschaft, Heiko Reese. Wie stark, lasse sich derzeit nur schwer abschätzen. "Deutschland exportiert etwa eine Million Tonnen Stahl in die USA. Angesichts einer Jahresproduktion von 42 Millionen Tonnen ist das nicht der Bärenanteil." Viel größeren Einfluss würden allerdings die nach Deutschland umgeleiteten Handelsströme haben: "Die Zölle treffen ja nicht nur deutsche Produkte. Länder wie China, Indien und Japan werden sich auch nach neuen Märkten umschauen. Da die EU aber global betrachtet der offenste Markt ist, werden die Exporteure sich hier zuerst umschauen. Das kann zu Verdrängung und damit auch zu Arbeitsplatzabbau führen", sagte Reese. Der IG-Metall-Vertreter erklärte, Trumps Pläne seien "eine klar protektionistische Maßnahme": "Es geht ja nicht darum, Dumping-Stahl von den Märkten fernzuhalten. Wir fordern deshalb die Welthandelsorganisation und die EU auf, das entsprechend deutlich zu machen." Über diplomatische Kanäle solle der Ton drastisch verschärft werden. "Und zwar so, dass auch Herr Trump die Brisanz versteht", sagte Reese.

Ökonomen forderten wirksame Gegenmaßnahmen der EU. "Trump und seine Wähler müssen spüren, dass protektionistische Maßnahmen ihre Kosten haben", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: "Wenn die EU nicht angemessen reagiert, ermuntert sie Trump nur zu weiteren Maßnahmen. Die Folterwerkzeuge müssen auf dem Tisch liegen." Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest plädierte für Härte. "Die EU sollte sofort reagieren, aber gleichzeitig das Gespräch suchen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden", sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts.

(mar, maxi)
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