Arbeiten in der Region Krefeld Handwerk im Wandel – Kampf um Fachkräfte

Serie | Krefeld · „Handwerk ist Tradition und Innova­tion gleichermaßen. Und die Unternehmen passen sich an, auch durch neue Berufe und moderne Ausbildung“, so Marc Peters, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

„Ein Dachdecker verdient tariflich 21,12 Euro pro Stunde, was monatlich 3.566,53 Euro ausmacht“, so Marc Peters, Chef der Kreishandwerkerschaft.

„Ein Dachdecker verdient tariflich 21,12 Euro pro Stunde, was monatlich 3.566,53 Euro ausmacht“, so Marc Peters, Chef der Kreishandwerkerschaft.

Foto: Handwerkskammer

Der Fachkräftemangel, oder wie der Hauptgeschäftsführer der Kreishand­werkerschaft, Marc Peters, es for­muliert, die „Fachkräftekatastro­phe“ ist für das Handwerk an sich eine große Bedrohung, die sich auch auf die Menschen auswirkt. In vie­len Bereichen dauert es oft Wochen oder gar Monate, Handwerkertermine zu bekommen. Dabei seien Berufe im Handwerk nicht nur lukrativ, son­dern auch sehr krisensicher, betont Peters. „Früher galten Tätigkeiten in Ver­waltung oder bei Banken als sicher. Aber welche Jobs waren auch in den ver­gangenen Krisen die sichersten? Das waren Berufe im Handwerk. Hand­werker werden und wurden immer ge­braucht“, betont er. Dennoch werde das so längst nicht immer wahrge­nommen. „Erklären kann ich mir das nicht. Heute will jeder studieren und denkt, nur das sei der Weg zum Glück. Dabei sind die Verdienste im Handwerk ganz sicher nicht schlecht. Nehmen wir ein Bei­spiel: Ein Dachdecker verdient ab 1. Okto­ber tariflich 21,12 Euro pro Stun­de, was monatlich 3.566,53 Euro aus­macht. Das ist ein Ecklohn ohne Überstunden und die meisten Firmen zahlen ob fehlender Kräfte oft deutlich übertariflich“, erläutert Peters.

Trotzdem könnten die Unternehmen in praktisch allen Branchen ihre Aus­bildungsplätze nicht besetzen. „Am dramatischsten ist es in den Beru­fen, die sich mit Nahrungsmitteln befassen. Also Bäcker, Fleischer, Konditor und die entsprechenden Fachverkäufer.“ Aber selbst in den traditionell eher nachgefragten Be­rufen sei die Lage kaum besser. „Der Kfz-Mechatroniker ist sicher immer noch ein gefragterer und zah­lenmäßig häufigerer Ausbildungsbe­ruf. Aber es gibt auch sehr viele Unternehmen und nicht alle Azubis bestehen die Prüfung. Der reine Blick auf die Zahl der Ausbildungs­verhältnisse täuscht also etwas“, ergänzt er.

Insgesamt gebe es große Wandlungen. „Handwerk ist Tradition und Innova­tion gleichermaßen. Und die Unter­nehmen passen sich an. Einer­seits durch neue Berufe und moderne Aus­bildung. Andererseits aber auch durch große Offenheit. Als ich hier anfing, hörte ich teilweise, 19 Jah­re alte Azubis seien nicht mehr formbar. Heute nimmt jedes Unter­nehmen auch 25-Jährige mit Kuss­hand. Alle Unternehmen werben sehr intensiv um Frauen und auch Zuwan­derer sind gern gesehen. Heute gibt es mehr Azubis mit afghanischem oder syrischem, als mit türkischem Pass“, sagt er.

Marc Peters, Hauptgeschäftsführer der Kreishand­werkerschaft.

Marc Peters, Hauptgeschäftsführer der Kreishand­werkerschaft.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Auch die Berufsbilder seien stark im Wandel. „Nehmen wir einen für das Handwerk relativ jungen Beruf: den Informationselek­troniker. Der war früher ein Radio- und Fernseh­techniker und diese Ge­räte gibt es seit nicht einmal 100 Jahren. Trotzdem ist der Beruf heu­te kom­plett anders. Die Geräte und ihre Nutzung haben sich massiv veränd­ert“, sagt er. Auch ganz neue Beru­fe gebe es. „So zum Beispiel den Elek­troniker für Gebäudesysteminte­gration. Der plant, integriert und installiert vernetzte Gebäudetech­nik. Dabei geht es im Grundsatz um Smart Home und die Verbindung der Geräte in einem Haus“, erläutert er.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der oft missachtet werde, sei die Le­benssituation. „Ein Handwerker oder eine Handwerkerin, die mit 16 Jah­ren in die Lehre gehen, erhalten schon eine Vergütung im Bereich von 1000 Euro im Monat je nach Beruf. Mit 19 liegen sie dann in den meis­ten Berufen bei deutlich über 3000 Euro Brutto. Das steigt oft schnell – vor allem, wenn sie den Meister erwerben – auf deutlich über 4000 Euro an. Dazu gibt es die Möglich­keit, mit Überstunden noch mehr zu verdienen. Das geht bei vielen Bü­rojobs nicht so einfach. Und mal ehrlich: Wie viele Studienberufe bieten deutlich höhere Einstiegsge­hälter?“, fragt Peters und fährt fort: „Weiterhin verdiene ich mit Studium frühestens Mitte/Ende 20 wirklich Geld. Die hohen Einkommen erreiche ich klassisch erst in den 50ern. Aber wann habe ich den Mittelbe­darf? Wenn ich jung bin, will ich leben, bekomme Kinder, baue ein Haus oder kaufe eine Wohnung. Wenn man es auf eine plakative Formel bringen will: Im Handwerk verdiene ich für das Leben, in Studienberu­fen für das Erbe.“

Noch etwas sei gemeinhin unbekannt. „Viele junge Menschen sagen mir, sie studieren, weil man da Aus­landserfahrung sammeln könn­te. Sol­che Programme gibt es aber auch im Handwerk. Im Prinzip kommt die gan­ze Idee aus dem Handwerk. Früher gingen Gesellen auf die Walz und bereisten oft ganz Europa, um zu lernen und zu arbeiten. Heute geht das auch noch. Ein Azubi kann eventuell sogar ein Viertel seiner Ausbildung im Ausland verbringen. Da helfen die Mobilitätsberater der Handwerkskammer“, be­tont Peters. Sogar die Arbeitszeiten seien im Fluss. „Die Unternehmen passen sich an die Lebensrealität an. Ich kenne ein Malerunternehmen, das jetzt die vier-Tage-Woche eingeführt hat. Sie leis­ten darin dieselbe Stundenzahl wie früher in fünf Tagen. Freitags ist generell frei. Sicher beginnt Hand­werk meist eher früh, aber es gibt auch hier den Drang zur Flexi­bilisierung, zu Ausbildung in Teil­zeit und so weiter“, sagt der Hauptgeschäftsführer.

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