Schwerpunkt Eurokrise Mehr Zeit für Griechenland

Berlin · Der griechische Finanzminister will seinen Kollegen Schäuble und Moscovici Vorschläge machen, wie die Sparauflagen gestreckt werden können. So könnte der riskante Austritt aus dem Euro verhindert werden. Offen ist, inwieweit der Bundestag einer Verlängerung der Fristen zustimmen muss.

Im Kampf gegen die drohende Pleite hofft Griechenland auf eine Streckung des Sparprogramms um zwei Jahre. Die Regierung will Deutschland und Frankreich Pläne vorlegen, um mehr Zeit zu bekommen, ohne dass die internationalen Geldgeber ein drittes Rettungspaket schnüren müssen. So könnten die Geldgeber Athen erlauben, zwei Jahre später als vereinbart mit der Rückzahlung der Kredite aus dem ersten Hilfspaket zu beginnen. Zudem könnten die Schulden, die Athen zur Rettung seiner Banken macht, nicht mehr den Staatsschulden zugerechnet werden. In Kürze will Finanzminister Yannis Stournaras seinen deutschen und französischen Kollegen, Wolfgang Schäuble und Pierre Moscovici, entsprechende Pläne präsentieren, hieß es in griechischen Medien. Gestern kamen Moscovici und Schäuble in Berlin zusammen und kündigten die Gründung eines Arbeitsstabes an. Dieser soll bis zum EU-Gipfel im Oktober eine gemeinsame Position erarbeiten.

Ist eine Streckung der Auflagen erlaubt?

Ja, wie Schäuble vor kurzem deutlich gemacht hatte. Im Begleittext der Vereinbarungen zwischen Athen und seinen Geldgebern heißt es: "Im Falle einer gegenüber den Erwartungen deutlich tiefer ausfallenden Rezession wäre mit der Europäischen Kommission, der EZB (Europäischen Zentralbank) und dem IWF (Währungsfonds) abzustimmen, ob diese Haushaltsanpassung über das Jahr 2014 hinaus verlängert werden muss." Griechenlands Wirtschaft schrumpft seit Jahren (Grafik), für 2012 wird ein Minus von über sechs Prozent erwartet. Die Troika von EU, EZB und IWF will im Oktober ihren Bericht zur Lage des Landes vorlegen.

Muss der Bundestag einer Streckung der Auflagen zustimmen?

Eigentlich schon. Der Bundestag hatte schon beim zweiten Griechenland-Paket vertraglich festlegen lassen, dass alle Entscheidungen "mit finanzieller Auswirkung" von der Zustimmung des Bundestages abhängig sein müssen. Nun suchen Schäubles Beamte ein rechtliches Vehikel, um kurzfristige Hilfen aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Lage in Athen doch am Bundestag vorbei zu beschließen.

Ist die Verlängerung politisch durchsetzbar?

Die CSU und die FDP haben ihre "roten Linien" bereits abgesteckt. Einen zeitlichen Aufschub bei der Umsetzung der Defizitziele soll es maximal für "ein paar Wochen" geben. "Da geht es um Tage oder Wochen", sagt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Die von Athen geforderten zwei Jahre gelten als illusorisch. Eine Mehrheit von Union und FDP wäre schon bei wenigen Wochen Aufschub gefährdet, heißt es in den Koalitionsfraktionen. Mehr Zeit für Griechenland sei "keine Lösung", hatte Finanzminister Schäuble ungewöhnlich deutlich gesagt.

Was bringt eine Streckung der Auflagen für Athen?

Athen bekäme eine Chance, seine Auflagen zu erfüllen, was derzeit unmöglich scheint. Griechenland kann nicht nur wegen seines mangelnden Spareifers, sondern auch wegen der Wirtschaftskrise seine Schulden nur mühsam senken. "Wenn Griechenland auf dem richtigen Weg ist, macht es Sinn, den Verbleib im Euro-Raum zu unterstützen", sagte Holger Sandte, Chefvolkswirt der WestLB Mellon. Erste hoffnungsvolle Zeichen gibt es: Wenn die gestrigen Angaben des griechischen Statistikamts richtig sind, haben die griechischen Exporte im ersten Halbjahr 2012 deutlich zugelegt — und zwar um 19 Prozent gegenüber 2010.

Was bringt eine Streckung der Auflagen für Europa?

"Wenn mehr Zeit für Athen dazu dient, das riskante Experiment des Austritts zu verhindern, dann lohnt es für Europa", sagte Sandte. Denn damit würde die Ansteckungsgefahr für Italien und Spanien gemindert. Auch Kanzlerin Angela Merkel und ihr französischer Kollege François Hollande hatten vergangene Woche betont, das Land im Euro halten zu wollen.

(brö)
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