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Fragen und Antworten Der Schuldenstreit mit Italien in der Sackgasse

Rom · Erstmals in der Geschichte des Euro hat die EU-Kommission den Haushaltsplan eines Mitgliedstaats zurückgewiesen. Für Italien läuft am heutigen Dienstag die Frist aus, den Entwurf zu überarbeiten. Wenig spricht jedoch für ein Einlenken Roms.

Der Schuldenstreit mit Italien in der Sackgasse - Fragen und Antworten
Foto: dpa/Marijan Murat

Wir haben Fragen und Antworten zu dem Themenkomplex zusammengestellt:

Was ist das Problem?

Um teure Wahlkampfversprechen umzusetzen, will die italienische Regierungskoalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega im kommenden Jahr unverhältnismäßig viele neue Schulden machen. Finanziert werden sollen zum Beispiel ein früherer Renteneintritt, Steuererleichterungen und eine Grundsicherung nach dem Vorbild von Hartz IV. Italien sitzt allerdings auf einem riesigen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro, der gut 132 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Das Land ist deshalb innerhalb der Eurozone verpflichtet, seine Schulden mittelfristig zu reduzieren. Mit 2,4 Prozent peilt Rom aber eine deutlich höhere Neuverschuldung an als die zunächst zugesagten 0,8 Prozent der Vorgängerregierung.

Wie rechtfertigt Rom die Mehrausgaben?

Die Regierung ist davon überzeugt, dass die höheren Ausgaben nötig sind, um der Wirtschaft nach Jahren endlich wieder einen Schub zu versetzen. Rom wirft Brüssel vor, positive Impulse für das Land und ganz Europa zu unterschätzen. Finanzminister Giovanni Tria sprach von „wirtschaftlichem Selbstmord“, wenn die 0,8 Prozent wirklich eingehalten würden. Denn Italien leidet seit Jahren an geringem Wirtschaftswachstum. Selbst Experten halten es da für notwendig, mehr zu investieren. Vize-Premier Luigi Di Maio hatte gesagt, persönlich dafür zu „garantieren“, dass die 2,4 Prozent im nächsten Jahr das Maximum seien und dass Italien diese Zahl nicht reißen wird.

Welche Argumente hat Brüssel?

Aus Sicht der Kommission sind die Pläne Roms nicht mit den europäischen Stabilitätsregeln vereinbar. Zwar will Italien die vorgegebene Defizit-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung halten. Allerdings steht das Land wegen seiner hohen Gesamtverschuldung unter besonderer Beobachtung. Erlaubt sind nämlich nur 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Italien muss daher strenger haushalten. Es sei verlockend, zu versuchen, Schulden mit noch mehr Schulden zu heilen, sagte etwa EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Aber ab einem gewissen Punkt wögen die Schulden und die mit ihnen verbundenen Kosten zu schwer.

Was, wenn Italien hart bleibt?

Dann könnte die EU-Kommission bald ein offizielles Defizitverfahren einleiten. Dabei könnten die EU-Partner Italien mehr Haushaltsdisziplin verordnen. Verstößt Rom auch gegen diese Vorgaben, könnten die Finanzminister theoretisch finanzielle Sanktionen verhängen. In der Praxis ist dies bislang noch nie geschehen.

Wie positionieren sich die anderen Euro-Staaten in dem Streit?

Die Euro-Finanzminister pochen wie Brüssel auf einen neuen Haushaltsplan aus Italien, der im Einklang mit dem Euro-Stabilitätspakt steht. Beim jüngsten Treffen der Eurogruppe betonten sie jedoch auch die Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft mit Rom. Die Botschaft an die zuvor in Unruhe geratenen Finanzmärkte: Die Lage ist nicht dramatisch.

Was spricht für Rom?

Dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt alles andere als eindeutig ist und etliche Flexibilitäts- und Zusatzklauseln enthält. Die Haushaltsüberprüfung sei deshalb eine sehr diffizile Sache, heißt es in EU-Diplomatenkreisen. In der Vergangenheit verstießen zudem gleich reihenweise Staaten gegen die Vorgaben - auch Frankreich und Deutschland. Aber: Das sei vor allem während der schweren Finanzkrise gewesen, argumentiert EU-Kommissar Dombrovskis. In dieser Phase könnten höhere Ausgaben etwa als Puffer dienen, um schwere Folgen abzufedern. Die Staaten seien zudem gegen ihre Defizitprobleme vorgegangen - mittlerweile halten alle Euro-Staaten die Maastricht-Kriterien ein. Die Regierung in Rom stellt sich hingegen offen gegen europäische Regeln und gemeinsame Beschlüsse.

Warum also nun die Strenge?

Die Euro-Finanzminister hatten Italien wegen seiner hohen Verschuldung - noch unter der Vorgängerregierung - auferlegt, sein strukturelles Defizit auszuräumen. Im Gegensatz zum nominalen Defizit werden dort konjunkturelle Schwankungen herausgerechnet. Nach Jahren der Finanzkrise befindet sich Europa derzeit in einer Phase nachhaltigen Aufschwungs. „Die Staaten müssen nun ihre Haushaltsdefizite korrigieren“, sagt Dombrovskis.

Experten halten dabei nicht die Tatsache, DASS mehr Schulden aufgenommen werden, für das Problem. Viel wichtiger sei, WOFÜR das Geld ausgegeben wird. Maßnahmen wie ein geringeres Renteneintrittsalter zählen in einem überalterten Land wie Italien ihrer Meinung nach nicht zu den richtigen Schritten, um Wachstum zu schaffen.

Für Ärger in Brüssel sorgt auch der Ton aus Rom. Vor allem die Vize-Premiers, Lega-Chef Matteo Salvini und Sterne-Anführer Di Maio, provozieren gerne mit ihren feindlichen Botschaften.

Was könnte der Haushaltsstreit für politische Folgen haben?

Er könnte die Stimmung gegenüber der EU weiter vergiften. Die Staatengemeinschaft und ihre Institutionen in Brüssel sind ohnehin der Sündenbock der Populisten, und Brüssels Härte spielt Europa-Feinden wie Salvini in die Hände. Auf jede kritische Äußerung in Richtung Rom folgt prompt eine Reaktion über die „Feinde“ im „Brüsseler Bunker“.

Zumindest bei den Euro-Finanzministern scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, nicht mehr Feuer ins Öl zu gießen. Im Gegensatz zur letzten Finanzkrise, bei der Griechenland, Spanien, Zypern und andere betroffen gewesen waren, in der scharfe Worte etwa des ehemaligen Eurogruppen-Chefs Jeroen Dijsselbloem die Märkte immer wieder in Aufregung versetzt hatten, gaben sich die Minister bislang sehr zurückhaltend.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 21. November will die EU-Kommission ihre Einschätzungen zu sämtlichen Haushaltsentwürfen abgeben. Ob der italienische dann auch dabei ist, hängt entscheidend von den nächsten Schritten in Rom ab.

(felt/dpa)
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