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Automobilindustrie Merkel kündigt Diesel-Lösung für kommenden Montag an

Berlin · Weil in immer mehr Städten Fahrverbote drohen, denkt die Bundesregierung nun doch über Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel-Fahrzeuge nach. Einziges Problem: Die Hersteller haben wenig Lust, das zu bezahlen.

Schmutzige Diesel-Abgase sorgen in vielen Städten für schlechte Luft.

Schmutzige Diesel-Abgase sorgen in vielen Städten für schlechte Luft.

Foto: picture alliance/Christian Ohde

Ein wenig erinnert alles an das Jahr 2011. Es war erst wenige Monate her, dass Angela Merkel zum Wohle der Energiewirtschaft die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke beschlossen hatte. Doch als es kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen zum Unglück am japanischen Atomkraftwerk Fukushima kam, vollzog die Kanzlerin eine hastige Kehrtwende ihrer bisherigen Politik und verkündete den Ausstieg aus der Kernenergie.

Merkels heutiges Fukushima heißt Frankfurt. Weil die Luft in der Main-Metropole seit langem zu schlecht ist, hatte ein Gericht zuletzt Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge verlangt. Damit trifft es nach Hamburg, Aachen und Stuttgart die nächste Großstadt. Und wieder sind Landtagswahlen, erst in Bayern, dann in Hessen.

Am kommenden Montag will die Kanzlerin die Entscheidung über den Kurs der Bundesregierung in der Diesel-Frage bekanntgeben. Hardware-Nachrüstungen an älteren Fahrzeugen, die von der Automobil-Industrie vehement bekämpft und (bis auf wenige Ausnahmen) von der Bundesregierung abgelehnt wurden, stehen nun plötzlich wieder zur Debatte. Genauso wie neue Prämien für den Kauf moderner Diesel-Fahrzeuge. Ob und welche Kosten der Steuerzahler tragen muss, ist bislang unklar, ausschließen wollte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag jedoch zunächst nichts.

Dennoch regt sich bereits massiver Widerstand gegen die Erneuerung des Fahrzeugbestands auf Staatskosten. „Nachdem die Autokonzerne zuletzt Milliardengewinne eingefahren haben, will die CDU nun Steuerzahler für die Folgen des Betrugs zur Kasse bitten“, sagte Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei Greenpeace Deutschland: „Das ist etwa so einleuchtend, wie ein Einbruchsopfer zu bitten, dem Dieb seine Beute abzukaufen.“

Auch der Steuerzahlerbund, der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) und die Grünen warnen die große Koalition davor, die Steuerzahler bei der Lösung des Diesel-Abgasproblems finanziell heranzuziehen.

„Steuergeld zur Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen lehne ich ab – das ist Aufgabe der Automobil-Industrie“, sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel unserer Redaktion. „Ich appelliere an die Politik: Der Steuerzahler darf hier keine finanzielle Haftung übernehmen.“ Auch vzbv-Chef Klaus Müller betonte gegenüber unserer Redaktion: „Die Kosten für die Hardware-Nachrüstung müssen die Hersteller tragen.“ Die Autoindustrie müsse endlich die Verantwortung übernehmen. „Die Hardware-Nachrüstung muss kommen - nicht nur für Busse und Nutzfahrzeuge, sondern für die vielen von Fahrverboten bedrohten privaten Diesel-Pkw. Daran führt kein Weg vorbei: für saubere Luft in den Städten und um Mobilität zu erhalten“, forderte Müller.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: „Die großen deutschen Autohersteller haben im letzten Jahr rund 40 Milliarden Euro an Gewinn eingefahren. Eine Nachrüstung mit Hardware würde ungefähr zwischen zwei und vier Milliarden Euro kosten. Das können die Autokonzerne ohne Probleme stemmen.“

In der Industrie ist die Bereitschaft zu Hardware-Nachrüstungen jedoch gering. Zu umständlich, zu teuer, so die Argumentation. „Das wirksamste und schnellste Instrument zur Verbesserung der Luftqualität in Städten ist die Bestandserneuerung“, hatte der Verband der Automobilindustrie in der Vergangenheit stets betont.

Es könnte daher sein, dass eine Nachrüstungspflicht zunächst nur für Fahrzeuge von Handwerkern und Zulieferern vereinbart wird, wie es in Berliner Koalitionskreisen hieß. Aber auch hier würde sich wieder die Frage stellen, wer das bezahlt.

Branchenbeobachter zweifeln daran, dass die Politik den Widerstand der Automobilindustrie wird brechen können. Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, geht zwar davon aus, dass es zu Hardware-Nachrüstungen kommt, dass diese aber letztlich aus Steuergeldern bezahlt würden. Die Automobil-Industrie, mutmaßt er, würde maximal die Kosten für die Zertifizierung der Technik übernehmen. „Mehr kriegen sie von den Auto-Herstellern nicht“, so Dudenhöffer.

Nach dem Treffen von Vertretern der Autoindustrie, Merkel und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Sonntag ist daher in Teilnehmerkreisen zwar auch von „konstruktiven Gesprächen“ die Rede. Ergebnislos auseinander ging man am Ende trotzdem.

Dass eine Lösung gefunden werden muss, daran gibt es allerdings wenig Zweifel – denn der Druck auf die Politik, Fahrverbote durchzusetzen, nimmt zu. Gestern verhängte das Verwaltungsgericht Stuttgart ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro gegen die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg, weil diese sich bislang geweigert hatte, Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufzunehmen.

Weil solche Zwangsgelder jedoch kaum Wirkung entfalten, denken die Richter am bayerischen Verwaltungsgerichtshof bereits über weitere Schritte nach. Sie erwägen mittlerweile Beugehaft gegen Beamte oder Minister.

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