Zukunftstechnologie Regierung will 650 Millionen Euro in Quantencomputer investieren

Berlin · Quantentechnologie ermöglicht absolute Datensicherheit, neue Interaktion mit Maschinen und stellt heutige Rechner in den Schatten. Die Bundesregierung investiert mehr als eine halbe Milliarde Euro, um im Rennen zu bleiben.

 Mit diesem weltraumtauglichen Gerät des Fraunhofer-Instituts in Jena lassen sich verschränkte Lichtteilchen für die Quantenkommunikation erzeugen (Archivbild).

Mit diesem weltraumtauglichen Gerät des Fraunhofer-Instituts in Jena lassen sich verschränkte Lichtteilchen für die Quantenkommunikation erzeugen (Archivbild).

Foto: Fraunhofer-IOF

Was wäre, wenn Kommunikation künftig nicht mehr abgehört werden könnte? Wenn kleinste Sensoren in unseren Körpern Veränderungen in den Zellen melden könnten, damit Ärzte Krebs bereits im Entwicklungsstadium bekämpfen könnten? Um solche Szenarien Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es sogenannte Quantentechnologien. Und damit die in Deutschland entwickelt und eingesetzt werden, hat die Bundesregierung ein neues Förderprogramm aufgelegt.

650 Millionen Euro sollen in dieser Legislatur in die Forschung und kooperierende Unternehmen fließen, damit die Bundesrepublik bei der Revolution nach der Digitalisierung nicht abhängig ist von Technologien aus anderen Staaten. Am Mittwoch will Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) das Konzept ins Bundeskabinett einbringen und dort verabschieden lassen. „Wo wir mit unserer heutigen auf Nullen und Einsen basierten Technik an Leistungsgrenzen stoßen, ermöglichen Quanten völlig neue Entwicklungen und Vorstöße in bislang unbekannte Bereiche“, sagte Karliczek unserer Redaktion. „Wir stehen an der Schwelle zu einem entscheidenden Fortschritt.“ Es solle mehr gefördert werden, um bei der Quantentechnologie einen Vorsprung im internationalen Wettbewerb zu erlangen. „Man kann diese Technologie ein wenig mit dem Sputnikschock vergleichen, als erstmals der Vorstoß mit einem Satelliten in den Weltraum gelang“, sagte Karliczek.

Was die Technik aus Sicht vieler Forscher so vielversprechend macht, ist die Abkehr von bisherigen Gesetzen der klassischen Physik. Heutige Computer arbeiten digital, sie funktionieren auf Grundlage mathematischer Prozesse. Quanten hingegen sind Lichtteilchen mit besonderen Eigenschaften. Schon heute sind Technologien im Einsatz, die sich Quanteneffekte zu Nutze machen. Elektronische Halbleiter nutzen Prinzipien der Quantenphysik. Das bekannteste Produkt der ersten Quantenrevolution ist der Laser. Heute ist er in unzähligen Produkten verbaut, vom einfachen CD-Spieler bis zu Hochleistungsinstrumenten in der Medizin.

Anja Karliczek - Bundesbildungsministerin, Münsterländerin und Diplom-Betriebswirtin
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Jetzt, da sind sich Forscher einig, steht die zweite große Quantenrevolution bevor. Aber während insbesondere deutsche Mittelständler bei dieser ersten Entwicklungsstufe der Quantentechnologien führend waren, könnten sie jetzt ins Hintertreffen geraten. Große Institute und Unternehmen liefern sich ein Wettrennen darum, wer zuerst einen universell nutzbaren Quantencomputer baut. Die chinesische Regierung plant ein zehn Milliarden Dollar teures Forschungsinstitut zur Entwicklung von Quantencomputern, das 2020 seinen Betrieb aufnehmen soll. IBM hat bereits erste Maschinen zu Testzwecken an die größte US-Bank JP Morgan Chase gegeben, Google forscht ebenfalls unter Hochdruck.

Verstecken müssen sich die Deutschen aber nicht. Was es nur sehr selten woanders gibt, ist die hiesige Verschränkung von Forschung und Industrie. Auf dem Weg zum Quantencomputer wurden bereits an anderen Stellen Durchbrüche erzielt, besonders vielversprechend sind Entwicklungen bei der Kommunikationstechnik, der Sensorik und der Bildgebung für die Medizin.

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„Sprache oder die Eingabe über eine Tastatur könnten überflüssig werden, wenn kleinste Quantensensoren im Gehirn formulierte Gedanken aufgreifen und umsetzen“, prognostiziert Andreas Tünnermann, Direktor am Fraunhofer-Institut für angewandte Optik und Feinmechanik in Jena. Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung könnten so Assistenzsysteme präzise steuern und damit aktiver am Leben teilhaben, so der Forscher. Stefanie Barz, Professorin an der Universität Stuttgart, ist Spezialistin für Quantenkommunikation. Sie weist darauf hin, dass erstmals Kommunikation völlig sicher sein könnte. Neu ist bei der Quantenkommunikation, dass Botschaften nicht als Zahlen übertragen werden, sondern in Form von Lichtteilchen. Diese sind miteinander verschränkt, sodass ein solches Photonenpaar auf Gedeih und Verderb mit der Information verbunden ist. Trennt man dieses Paar, ist es möglich, eines der beiden Lichtteilchen etwa per Satellit über weite Strecken zu versenden. Der damit transportierte Schlüssel kann aber nicht kopiert oder verändert oder abgefangen werden. All das würde bewirken, dass die Botschaft zerstört wird. Sie ist nur für Empfänger und Sender einsehbar. Und es geht noch weiter: Mit der Quantentechnologie wäre es sogar möglich, die bisher auf großen Zahlen basierenden Verschlüsselungen zu knacken. „Es ist daher wichtig, in der Forschung und Umsetzung vorne mit dabei zu sein“, sagte Barz. Tünnermann arbeitet mit seinen Kollegen an einem System, das ins Weltall geschickt werden soll, um dort erste Tests in der Quantenkommunikation zu ermöglichen. „Wenn sich das System bewährt, könnte es künftig ein Baustein für ein sichereres Kommunikationsnetz zwischen allen europäischen Metropolen geben“, glaubt Tünnermann.

Und das, obwohl Deutschland selbst beim Breitbandausbau massiv hinterherhinkt? Forscher winken ab. Bis die Quantentechnik zum breiten Einsatz kommt, werden noch einige Jahre vergehen. Und dennoch: Das Rennen läuft längst. Gleichzeitig hat die Politik auch die Gesellschaft im Blick. In Regierungskreisen heißt es, die Möglichkeiten dieser Technologien seien so groß, dass sie erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben können und auch sicherheitspolitisch von hoher Relevanz sind. „Deswegen ist es auch wichtig, dass wir die Menschen informieren, in Schulen, an Hochschulen, im Beruf, dass sie verstehen und mitgehen können“, sagte Karliczek. Angesichts der Komplexität der Technik dürfte das aber auf absehbare Zeit ein frommer Wunsch bleiben.

(jd)
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