Vom Mittelmaß zum Favoritenschreck Tennessee Titans wollen in den Super Bowl

Düsseldorf · Die Tennessee Titans sind das Überraschungsteam im Halbfinale der NFL. Ihr Weg dorthin ist eng verbunden mit drei Erfolgsgaranten - und einem Prozess, der bereits 2018 begonnen hatte.

Einige Spieler der Tennessee Titans.

Einige Spieler der Tennessee Titans.

Foto: AP/Julio Cortez

Vor ziemlich genau drei Monaten lagen die Titanen aus Tennessee noch am Boden. Mit 0:16 war der aktuelle Favoritenschreck der amerikanischen Football-Profiliga NFL gegen die Denver Broncos untergegangen, Quarterback Marcus Mariota wurde nach einer unsäglichen Vorstellung degradiert, und die Saison schien den bekannt unspektakulären Verlauf zu nehmen. Play-offs? Um Himmels Willen. Superbowl? Die Wahrscheinlichkeit lag bei einem Prozent.

Wenn am Sonntag die Conference Finals über die Bühne gehen, sind die Titans aber noch immer mit dabei. Und die Football-Welt fragt sich: Wird im Halbfinale gegen die Kansas City Chiefs (21.05 Uhr/ProSieben) der nächste übermächtige Gegner gestürzt? "Nach all den durchschnittlichen Jahren", sagt Safety Kevin Byard mit Blick auf zehn Saisons in Serie mit maximal neun Siegen, "glauben wir inzwischen alle daran, dass wir wirklich jedes Spiel gewinnen können".

Eine selbstbewusste Einschätzung, die nicht nur dem überraschenden Triumph beim Starteam der New England Patriots oder dem Coup bei den Baltimore Ravens, der besten Mannschaft der regulären Spielzeit, geschuldet ist. Vielmehr erntet der Verein nun die Früchte für einen Prozess aus überlegten Schachzügen und mutigen Entscheidungen, der bereits im Sommer 2018 begonnen hatte.

Damals installierte die Klubführung Mike Vrabel als neuen Cheftrainer. Der 44-Jährige spielte zu seiner aktiven Zeit von 2001 bis 2008 unter einem gewissen Bill Belichick, der die Patriots gemeinsam mit Star-Quarterback Tom Brady zum Serienmeister formte. Nach der Laufbahn machte sich Vrabel zunächst als Defensiv-Koordinator der Houston Texans einen Namen - und sagte nach dem knappen Verpassen der Play-offs in der Vorsaison, er würde sich "den Penis abschneiden, um den Superbowl zu erreichen".

Seine mutigste Entscheidung war nach vier Niederlagen und nur zwei Siegen zu Saisonbeginn der Wechsel auf der wichtigen Spielmacher-Position gewesen. Mariota, einst der beste Quarterback auf dem College und auch deshalb im Draft an zweiter Stelle gezogen, konnte die Erwartungen nie erfüllen. Ryan Tannehill, im Sommer von den Miami Dolphins verpflichtet, um Druck auf Mariota auszuüben, erhielt seine Chance. Und nutzte sie.

Tennessee gewann neun der folgenden zwölf Spiele, darunter eben jene in den Play-offs gegen die favorisierten Patriots und Ravens. Das wiederum lag auch an Runningback Derrick Henry, dem mit 1,92 Meter ungewöhnlich großen Ballträger, der als erster Spieler in zwei Play-off-Spielen nacheinander mehr als 170 Yards erlief. "Wir wussten immer, dass er ein Biest ist", schwärmt Linebacker Wesley Woodyard, "jetzt weiß es auch der Rest der Welt". Inklusive der Kansas City Chiefs.

Die waren vor einer Woche schon abgeschrieben gewesen, als sie gegen Houston schier aussichtslos mit 0:24 zurücklagen. Dann drehten Vorjahres-MVP Patrick Mahomes und seine Vorderleute aber auf, am Ende bejubelten die Chiefs ein 51:31. "Sie sind explosiv in der Offensive, athletisch, schnell und eine riesige Herausforderung", sagt Vrabel. Das ist sein Team mittlerweile aber auch - wer hätte das vor drei Monaten gedacht?

(pabie/sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort