Nun hintertreibt der Kreml auch die Atomgespräche mit Iran Russlands Angst, Russlands Joker

Die Gespräche zur Rettung des Atomabkommens mit Iran schienen auf gutem Weg. Doch nun torpediert der Krelm auch hier eine Einigung und verschleppt damit wichtige Zeit, die Iran auf den letzten Metern zur eigenen Atombombe helfen könnte

 Russlands Außenminister Sergej Lawrow verlangt Garantien, dass sein Land trotz der Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges uneingeschränkt mit Iran Handel treiben darf

Russlands Außenminister Sergej Lawrow verlangt Garantien, dass sein Land trotz der Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges uneingeschränkt mit Iran Handel treiben darf

Foto: dpa/Maxim Shemetov

Sergej Lawrow schreckt vor nichts zurück. Selbst den Krieg macht der russische Außenminister noch zur Verhandlungsmasse. Die Gespräche über ein Wiederbeleben des Atomabkommens mit Iran schienen auf gutem Weg. Doch nun hat Lawrow einen bösen Joker gezogen. Der Chefdiplomat des Kremls drängt darauf, dass Russland trotz der Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges weiter Handel mit Iran treiben darf – und zwar uneingeschränkt. Die Dreistigkeit ist ohne Beispiel. Lawrow mischt damit nach dem Angriff seines Landes auf die Ukraine die Atomverhandlungen auf und gefährdet einen Abschluss. Die USA machten schon deutlich, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe.

2018 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit Iran einseitig und ohne Not verlassen. Diplomaten der Vertragsstaaten schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Der Vertrag sei gewiss nicht optimal, aber allemal besser, als könnte das Regime in Teheran seine Zentrifugen ohne einen solchen Vertrag nach Belieben laufen lassen. 2015 hatten die fünf UN-Vetomächte (USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich) und Deutschland hatten ein Abkommen geschlossen, dass es Iran unmöglich machen sollte, eine Atombombe zu bauen. Aber dann kam Trump und der schöne Plan vom atomaren Frieden in dieser Weltregion war dahin.

Seit beinahe einem Jahr bemühen sich die verbliebenen Vertragsparteien -- China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – nun darum, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) genannten Abkommen wieder Leben einzuhauchen. Die USA sitzen zwar offiziell nicht mehr mit am Verhandlungstisch – denn sie sind aus dem Vertrag ja ausgestiegen --, werden aber permanent über den Stand der Gespräche informiert. Die Zeit drängt. Denn in den vertragslosen Jahren hat Iran seine atomaren Ambitionen mit aller Macht vorangetrieben und Uran auf ein sehr viel höheres Niveau angereichert, als es der Atompakt erlaubt. Sicherheitsexperten gehen deshalb davon aus, dass die Mullahs nicht mehr weit von der Fähigkeit zum Bau einer eigenen Atombombe entfernt sind. Je länger sich die Verhandlungen über eine Neubelebung des JCPoA hinziehen, umso größer die Gefahr, dass Iran den Durchbruch schafft. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte dazu unserer Redaktion:  "Seit Donald Trump das Atomabkommen ohne Not gekündigt hat, haben die Iraner sehr viel Uran hoch angereichert und damit einen signifikanten Weg auf dem Weg zur Bombe zurückgelegt. Es ist gut, wenn das Abkommen nun wieder zu Stande kommt, damit Iran auf diesem Weg gestoppt wird."

Russlands Außenminister Lawrow torpediert mit seinem Vorstoß jedenfalls die Gespräche, die auf gutem Weg schienen. Seine Forderung kostet wertvolle Zeit, die Iran nutzen kann und den Frieden auch in einer anderen Region als der Ukraine gefährdet. Russland hintertreibt somit auch diese Gespräche. Nouripour, der selbst aus Iran stammt, glaubt, dass Lawrow von einer Furcht angetrieben wird. Nouripour sagte unserer Redaktion: "Anscheinend hat Außenminister Lawrow Angst davor, dass mit einer Rückkehr des Irans auf den Ölmarkt die Preise sinken und damit das Erpressungspotential des Kremls abnimmt. Dabei verkennt er, dass eine Nuklearisierung des Nahen Ostens auch eine Bedrohung für Russland bedeuten würde."

Iran reagierte zwar zunächst Verhalten auf die Forderung von Lawrow nach uneingeschränktem Handel zwischen beiden Ländern. Doch auch Teheran hat ein naheliegendes Interesse, das Tempo bis zu einer eventuellen Einigung, die den Atompakt retten könnte, nicht zu sehr hochzufahren. Lieber fahren sie in ihren Atomanliegen die Zentrifugen weiter hoch. Zeitverlust bei den Verhandlungen bedeutet Zeitgewinn für den Bau der Atombombe. Inzwischen ist Irans Unterhändler bei den Atomgesprächen, Ali Bagheri Kani, plötzlich nach Teheran zurückgekehrt – angeblich für Beratungen. Unterdessen kündigte EU-Chefverhandler Enrique Mora politische Entscheidungen in den nächsten Tagen an.

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