Opposition beendet den Wahlkampf Nervosität vor Wahlen in Jugoslawien wächst

Belgrad (AP). Kurz vor der Präsidenten- und Parlamentswahl am Sonntag wächst bei Regierung und Opposition in Jugoslawien die Nervosität. Gleichzeitig mehrten sich die Warnungen westlicher Politiker vor einem möglichen Wahlbetrug von Präsident Slobodan Milosevic. Der Oppositionskandidat für die Präsidentschaft, Vojislav Kostunica, zeigte sich am Freitag überrascht von den Äußerungen des jugoslawischen Ministerpräsidenten Momir Bulatovic, Milosevic könnte auch bei einer Niederlage bis Juni nächsten Jahres im Amt bleiben. Kostunica wertete dies als Zeichen wachsender Angst des Regierungslagers vor einer Niederlage.

Zwei Tage vor der Wahl führte Kostunica weiter mit deutlichem Vorsprung vor Milosevic. Im Fernsehsender Elmag TV sagte Bulatovic am Donnerstagabend, die Verfassung ermögliche es dem Präsidenten, bis zum Ende seiner Amtszeit weiter zu regieren. Kostunica erklärte dazu, die Verfassungsinterpretation Bulatovics sei falsch. Der neue Präsident müsse vielmehr zwei Wochen nach der Wahl in sein Amt eingeführt werden. Die Erklärung Bulatovics erfülle aber die Opposition mit großer Hoffnung, weil sie zeige, dass die Regierung langsam zu begreifen beginne, dass sie verlieren wird, sagte der Herausforderer weiter. Goran Svilanovic von der Serbischen Bürgerallianz sagte am Freitag, Bulatovics Äußerungen zeigten, dass das Regime Angst habe.

Polizei stürmt Büro von Oppositionsgruppe

Unterdessen stürmte die Polizei am Freitag ein Büro der Oppositionsbewegung Otpor (Widerstand) in Nis und beschlagnahmte Ausrüstung, Poster, Aufkleber und anderes Material. Nach Angaben von Otpor hatten die Polizisten keinen Durchsuchungsbefehl. Sie hätten Computer, Telefone und ein Faxgerät mitgenommen, sagte Otpor-Aktivist Milos Krivokapic. Die beschlagnahmten Gegenstände solle die Gruppe erst nach den Wahlen zurückbekommen. In der nordserbischen Stadt Sombot wurden zwei Otpor-Mitglieder in Handschellen auf ein Polizeirevier abgeführt.

Unterdessen widersprach der jugoslawische Botschafter in Moskau und Präsidentenbruder Borislaw Milosevic Spekulationen, wonach dieser auch bei einer Niederlage an der Macht festhalten werde. Sein Bruder werde das Wahlergebnis respektieren, ganz gleich wie es ausfalle, sagte Milosevic. Er respektiere die Verfassung.

Die Opposition schloss ihren Wahlkampf am Donnerstagabend mit einer Kundgebung in Novi Sad ab, an der über 20.000 Menschen teilnahmen. In den letzten beiden Tagen vor der Wahl sind Kundgebungen untersagt.

NATO-Generalsekretär George Robertson drückte unterdessen die Hoffnung aus, dass sich das serbische Volk bei der Wahl am Sonntag für Europa und gegen die Vergangenheit entscheidet. Auf einer Pressekonferenz in Berlin äußert sich Robertson am Freitag besorgt über mögliche Wahlmanipulationen seitens des Milosevic-Lagers.

Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping warnte Milosevic vor jeder Form von Wahlbetrug und Verfälschung. Am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Ecouen bei Paris sagte der SPD-Politiker, er sei besorgt über die möglichen Entwicklungen, die mit dem Wahlergebnis und seiner Bekanntgabe Sonntagnacht einsetzen könnten.

Auch die serbisch-orthodoxe Kirche warnte am Freitag vor Wahlbetrug. Jeder Versuch, den Willen des Volkes zu verfälschen, könnte zu Blutvergießen führen. "Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes", hieß es in dem von Patriarch Pavle unterzeichneten Appell.

(RPO Archiv)
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