Athen Merkel spricht Griechen Mut zu

Schwerpunkt Eurokrise · In einer angespannten Lage hat die Bundeskanzlerin unter hohen Sicherheitsvorkehrungen Athen besucht. Ihre Botschaften sollten die Gastgeber beruhigen. "Wir sind Partner, und wir sind Freunde", sagte sie und: "Ich wünsche mir, dass Griechenland in der Eurozone bleibt."

Das Jackett der Kanzlerin bläht sich ein wenig, als sie aus dem Regierungs-Airbus die Treppe hinuntergeht. In Athen weht ein scharfer Wind. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit militärischen Ehren. Selten fand der Besuch eines europäischen Regierungschefs in einem anderen EU-Staat in einer derart aufgeladenen Stimmung statt.

Schon Tage vor dem Besuch Merkels gab es große Demonstrationen, zu denen die Linksallianz Syriza und die Gewerkschaften aufgerufen hatten. Sogar der Chef der deutschen Linkspartei, Bernd Riexinger, schritt "Seit' an Seit'" mit den griechischen Genossen gegen die Kanzlerin. Zeitungen und Magazine zeigten Merkel in Nazi-Uniform oder mit Hitlerbärtchen. Die griechische Opposition wirft ihr vor, mit ihrer konsequenten Haltung für Sparen und Sanierung der Staatshaushalte schuld zu sein an der dramatisch schrumpfenden griechischen Wirtschaftskraft.

Zur Sicherheit der Kanzlerin sind am Tag ihres Besuchs Demonstrationen in der Innenstadt verboten. Alle paar Hundert Meter sichert ein Polizist in kugelsicherer Weste die Strecke vom Flughafen "Eleftherios Venizelos" zum Amtssitz des Ministerpräsidenten. Auch diese Staatsdiener haben im Zuge der Finanzkrise kräftige Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.

Vor einem Krankenhaus hat sich doch eine kleine Gruppe Demonstranten eingefunden. Sie schütteln die Fäuste in Richtung der Wagenkolonne. Die Kranken im Land trifft die Krise besonders hart. Medikamente und teure Therapien werden oft nicht mehr vom staatlichen Gesundheitssystem bezahlt. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit verlieren die Griechen ohnehin ihren Versicherungsschutz. Jeder vierte Grieche ist arbeitslos.

Angela Merkel besucht ein Land in Aufruhr. Nicht nur Syriza erfreut sich großen Zulaufs — auch die rechtsradikale Partei "Goldene Morgenröte" kann sich immer stärker ausbreiten. Kürzlich hat Samaras sein Land mit der Weimarer Republik verglichen.

Bei längst nicht allen Griechen ist die Stimmung gegen Merkel und Deutschland. Es gibt auch jene Schaulustige, die freundlich winken und Erinnerungbilder mit den Fotohandys schießen. Sie denken, was Ministerpräsident Samaras nach dem Gespräch mit Merkel sagt: "Der Besuch der Kanzlerin beweist, dass wir eine internationale Isolation durchbrochen haben."

Der Besuch der deutschen Kanzlerin mit ihrem soliden Ruf gibt aus Samaras' Sicht den Griechen auch etwas von ihrer Glaubwürdigkeit wieder. Der Ministerpräsident freut sich vor allem über die Anerkennnung von deutscher Seite, dass die Griechen sich anstrengen .

Nachdem der Ministerpräsident noch im vergangenen Jahr als Oppositionspolitiker gegen die strengen Sanierungs-Auflagen der EU gewettert hatte, erweist er sich seit seinem Amtsantritt als reformfreudiger Partner. Diesen Reformpolitiker mit einem Besuch zu stützen, ergibt aus deutscher Sicht Sinn.

Für Merkel ist der Besuch dennoch ein Drahtseilakt. Sie kann, darf und will keine weiteren substanziellen Zugeständnisse machen. Sie kann, darf und will auch keine Garantieerklärung für den Verbleib der Griechen im Euro abgeben. Eine schwierige Mission. Merkel betont die gute Kooperation zwischen den Ländern. Wenn es einem Partner nicht gut gehe, gehe es auch dem anderen nicht gut, sagt sie. Der eingeschlagene Weg aus der Krise sei hart, aber richtig. Die Probleme könnten nicht mit einem Paukenschlag beseitigt werden, aber sie sei sicher, "dass wir Licht sehen werden am Ende des Tunnels".

Ihr Gespräch führen die Regierungschefs im Amtssitz des Ministerpräsidenten, der Villa Maximos. Sie ist ein symbolträchtiger Ort: Die Villa wurde 1924 als Residenz des Präsidenten der griechischen Nationalbank erbaut. Nach ihrem Gespräch spazieren Samaras und Merkel noch plaudernd durch den Park der Villa hinüber zum Präsidentenpalast. Dort traf Merkel später Präsident Karolos Papoulias.

Viel hat die Kanzlerin den Griechen nicht mitgebracht. Mit Samaras verabredet sie, dass endlich einige Strukturreformen umgesetzt werden. So soll die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit das griechische Gesundheitssystem neu organisieren. Zudem soll die regionale Verwaltung effizienter geregelt werden.

Samaras zeigt sich zufrieden. Er bezeichnet Merkel als "einen Freund dieses Landes" und berichtet, er habe ihr deutlich gemacht, "dass das griechische Volk blutet für diese Reformen". Es gebe aber noch viel zu tun.

Internet Das Protokoll des Griechenland-Besuchs der Kanzlerin: www. rp-online.de/politik

(qua)
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