Schlussstrich unter die Ära Möllemann FDP: NRW-Parteitag wählt Pinkwart an die Spitze

Düsseldorf (rpo). Der NRW-Parteitag der FDP hat überraschend Andreas Pinkwart an die Spitze des Landesverbandes gewählt. Als Favoritin war Möllemann-Stellverreterin Ulrike Flach an den Start gegangen. Der Wahl Pinkwarts ging eine leidenschaftliche Debatte über die Flugblatt-Affäre und den Kurs der FDP voraus.

Die Inszenierung hätte vom geschassten FDP-Star Jürgen Möllemann stammen können. Vor dem Sonderparteitag der Liberalen im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen schien die Nachfolge des über seine Flugblattaffäre gestürzten Möllemann schon fast festzustehen. Der 51-jährigen Bundestagsabgeordneten und Möllemann-Stellvertreterin Ulrike Flach wurden beste Chancen eingeräumt. Der gegen sie kandidierende Wuppertaler Kommunalpolitiker und ausgewiesene Möllemann-Gegner Rolf Köster galt als Außenseiter.

Doch es kam ganz anders. Nach fast drei Stunden Debatte über die Möllemann-Affäre ergriff der zweite Stellvertreter Möllemanns, Andreas Pinkwart, das Wort. Der 42-jährige riss die 400 Delegierten mit einer leidenschaftlichen Rede mit.

Scharfe Kritik an Möllemann

Pinkwart warf Möllemann vor, dieser habe die FDP systematisch immer weiter nach rechts verschieben wollen. Dabei seien verdiente Liberale wie Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Burkhard Hirsch so dargestellt worden, als hätten sie keinen Platz mehr in der FDP. Ein Höhepunkt sei bereits im Juni Möllemanns Drohung gewesen, außerhalb der FDP weiterzuarbeiten, sollte man seine Bestrebungen zu sehr einengen. Eine solche Erpressung müsse die FDP ein für alle Mal ausschließen. Dazu komme die infame Finanzierung des Flugblattes, bei der Möllemann durch Aufteilung der von ihm stammenden Millionenspende mit Hilfe von Mitarbeitern den Eindruck habe erwecken wollen, die Aktion sei breitest finanziert und durch die Partei getragen.

Diese deutliche Rede brachte Pinkwart Jubelstürme ein. Daraufhin beantragten mehrere Bezirke eine Unterbrechung des Parteitages und schafften es, den 42-jährigen Pinkwart doch noch zur Kandidatur zu bewegen. Die Delegierten ließen dem Beifall ihre Stimmen folgen und entschieden sich für den bei Bonn lebenden Volkswirtschaftsprofessor und Chaosforscher.

Emotionale Aussprache

In der teilweise emotional geführten Aussprache zeigte sich aber auch, dass Möllemann in der nordrhein-westfälischen FDP durchaus noch Anhänger hat, die seinen Ausschluss ablehnen. Vor allem aus dem heimischen Münsterland traten Fürsprecher Möllemanns auf, die die Erfolge und Verdienste des früheren Landesvorsitzenden hervorhoben und teilweise scharfe Kritik am Landes- und am Bundesvorstand der FDP und namentlich am Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle übten. Georg Schröter aus Hamm nannte es eine Fehlentscheidung, das Westerwelle statt Möllemann zum Kanzlerkandidaten gemacht worden sei. Er warf der Parteiführung vor, in der Auseinandersetzung um Möllemann einen Verdächtigen zum Schuldigen gestempelt zu haben. "Wer Möllemann aus der Partei wirft, der wirft auch mich raus."

Der münsterländische Bezirksvorsitzende Heinz Wilhelm Steinmeier forderte, bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes auf das Parteiausschlussverfahren zu verzichten, das der Bundesvorstand am (morgigen) Montag einleiten will. Ein Delegierter aus Höxter erklärte gar, die Kampagne gegen Möllemann sei fremdbestimmt. Es sei bezeichnend, dass der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, als erster den Ausschluss Möllemanns gefordert habe.

Burkhard Hirsch verurteilt erneut Flugblatt-Kampagne

Der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch verurteilte, dass Möllemann versucht habe, mit antiisraelischen Ressentiments Stimmen im Wahlkampf zu mobilisieren. Einer FDP, die dies zuließe, würde er nicht mehr angehören, betonte der Altliberale. Zahlreiche Redner forderten, die Affäre um Möllemann ein für alle Mal mit dessen Ausschluss zu beenden. "Politische Verdienste sind keine Vorauszahlungen auf mögliche Verfehlungen", sagte Christof Dammermann. Er kritisierte, dass die Landes-FDP zu lange einen Alleinvertretungsanspruch Möllemanns hingenommen habe. Der Parteitag im Jahr 2001 habe mehr einer Sektenveranstaltung geglichen, in der Kritik niedergebuht worden sei.

Der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion, Stefan Grüll, erklärte, auch wenn das Flugblatt der Partei genutzt hätte, dürfe die FDP Spielen mit Ressentiments auf keinen Fall hinnehmen. Es sei "fast wie eine Scheidung", aber notwendig, sich von Möllemann zu trennen.

Als Nachfolgerin Pinkwarts wurde die FDP-Landtagsabgeordnete Angela Freimuth zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. Flach bleibt weiterhin Landes-Vize. Für den zurückgetretenen Schatzmeister Andreas Reichel übernimmt der ehemalige Bundestagsabgeordnete Paul Friedhoff die Parteikasse.

(RPO Archiv)
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