Steuerspar-Modelle von Konzernen Luxemburg-Affäre beschädigt Juncker

Berlin/Brüssel · Der frühere luxemburgische Premier und heutige EU-Kommissionschef gerät wegen der Steuergesetze Luxemburgs in Bedrängnis. Laut NRW-Finanzminister Walter-Borjans schaffen deutsche Konzerne 130 Milliarden Euro mit Tricks beiseite.

Luxemburg-Affäre beschädigt Jean-Claude Juncker
Foto: AFP

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist nur eine Woche nach seinem Amtsantritt so stark unter Druck geraten, dass sich ein politischer Freund wie Wolfgang Schäuble schützend vor ihn stellen musste. "Dass man in Luxemburg - wie in anderen europäischen Ländern auch - versucht, durch international tätige und hochqualifizierte Berater die steuerliche Belastung zu minimieren, ist nicht so ganz neu", sagte der Bundesfinanzminister am Freitag in Brüssel.

Das Ausnutzen von bislang legalen Steuerregeln müsse aber auf ein "erträgliches Maß" gestutzt werden. Junckers früherer Job als Luxemburger Premier und seine heutige Tätigkeit hätten nichts miteinander zu tun, betonte Schäuble.

Das sehen viele in Europa allerdings anders. In dieser Woche hatten führende europäische Medien gleichzeitig berichtet, dass internationale Top-Konzerne wie Ikea, Amazon, Apple, Eon oder die Deutsche Bank überwiegend auf legale Weise Gewinne nach Luxemburg verschoben, wo sie deutlich weniger Steuern zahlen mussten als zu Hause.

Die "Süddeutsche Zeitung", die Sender WDR und NDR sowie mehrere europäische Medien hatten 28 000 Seiten geheimer Dokumente durchforstet und dabei entdeckt, dass die Luxemburger Behörden zwischen 2008 und 2010 komplizierte Steuerspar-Modelle der Konzerne genehmigt hatten, die das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers entwickelt hatte. Manche Konzerne zahlten nur ein Prozent Steuern auf Gewinne oder Kapitalerträge. Zwischen 2008 und 2010 war Juncker Premier und Finanzminister. Auch nach 2010 dürfte Luxemburg ebenso wie mehrere andere EU-Staaten diese Steuerpraxis fortgesetzt haben.

Die britische "Financial Times" hatte zwar bereits im Sommer darüber berichtet, doch erst die geballte Medienmacht, die nun über die "Luxemburg-Connection" berichtete, bringt Juncker direkt in Bedrängnis. Der Kommissionspräsident brauche jetzt eine gute Krisen-Kommunikationsstrategie, hieß es in Brüssel. Der 59-Jährige gilt allerdings als erfahren und geschickt; er hat viele Krisen bereits bewältigt.

Die EU-Kommission verwies gestern darauf, dass Beihilfe-Prüfverfahren nicht nur gegen Luxemburg, sondern auch gegen Irland, Belgien, die Niederlande, Großbritannien, Zypern und Malta eingeleitet wurden. Die jüngsten vier Prüfverfahren vom Sommer 2013 betreffen Irland, die Niederlande und Luxemburg. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager habe "volle Beinfreiheit" für die Prüfung. Juncker werde sich dabei nicht einmischen. Auf die Frage nach den Steuertricksereien hatte Juncker in dieser Woche lediglich gesagt: "Die Kommission wird ihre Arbeit machen. Ich werde mich in dieses Dossier nicht einmischen. Ich habe eine Meinung dazu, aber ich werde diese für mich behalten."

Juncker hat in Europa viele Feinde. Dass er jüngst den britischen Premier David Cameron öffentlich dafür angriff, weil der seinen finanziellen Verpflichtungen für die EU nicht nachkommen will, wird in Brüsseler Kreisen als schwerer Fehler gewertet. Auch die persönlichen Attacken auf Italiens Ministerpräsidenten Matteo Renzi wegen dessen mangelnden Sparwillens gelten als ungeschickt. Allerdings waren die legalen Steuertricks der Luxemburger wohlbekannt, als das Europäische Parlament Juncker und seine Kommission bestätigte. Das könnte ihm jetzt helfen, es sei denn, es tauchen noch persönliche Verfehlungen auf.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) kündigte unterdessen Prüfungen der neu aufgetauchten Dokumente an. "Die Steuerfahndung von Nordrhein-Westfalen wird sich die Leak-Daten jedenfalls mit Interesse ansehen - ebenso wie das Finanzministerium", sagte Walter-Borjans. "Konzerne, ihre Berater und allzu hilfsbereite Entscheider in einigen Ländern schaffen in Deutschland jährlich schätzungsweise 130 Milliarden Euro durch quasi-legale Konstrukte beiseite", sagte er. "Dieses Geld fehlt uns für dringend notwendige Investitionen in Bildung, in Kitas und in Straßen." Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) forderte Juncker auf, sein Amt bis zum Ende des Prüfverfahrens gegen Luxemburg ruhen zu lassen.

(mar)
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