Tiflis Schewardnadse - der sowjetische Freund der deutschen Einheit

Tiflis · An der Seite von Präsident Michail Gorbatschow sorgte der nun verstorbene Georgier für breiten außenpolitischen Wandel.

Der Mann mit den schlohweißen Haaren hat die Augen weit aufgerissen, die linke Hand liegt verkrampft auf dem Tisch. Es ist das Jahr 1998, und Georgiens Präsident Eduard Schewardnadse hat soeben ein weiteres Attentat überlebt. Terroristen feuerten mit einem Granatwerfer auf seinen Dienstwagen. Die schwere Panzerlimousine, ein Geschenk der Bundesregierung für den Geburtshelfer der deutschen Wiedervereinigung, hielt stand. Schewardnadse und sein Fahrer blieben fast unverletzt.

Die Episode zeigt die Doppeldeutigkeit dieses Politikers, der nun nach schwerer Krankheit im Alter von 86 Jahren bei Tiflis gestorben ist. Als sowjetischer Außenminister spielte Schewardnadse eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges, im Westen war er hoch geachtet. Doch in seiner Heimat Georgien lebte er gefährlich, machte sich im Kaukasus Feinde und hatte beim Regieren keine glückliche Hand.

Am 25. Januar 1928 in der georgischen Provinz als Sohn eines Russischlehrers geboren, hatte sich Eduard Schewardnadse früh für die Karriere als Parteifunktionär entschieden. 1972 war er bereits Vorsitzender der KP Georgiens. Während Schewardnadse Loyalität zur Parteiführung in Moskau bewies, machte er doch Konzessionen an die liberale Haltung der georgischen Intelligenzija: Unter seinem Schutz drehte der Regisseur Tengis Abuladze 1984 den Film "Reue", eine Abrechnung mit dem Stalinismus, die als Vorbote der Perestroika-Zeit bald in der ganzen UdSSR Furore machte.

Ähnlich wie Schewardnadse dachte ein anderer Funktionär aus dem südrussischen Stawropol: Michail Gorbatschow. Beide Männer kannten sich bereits aus den 70er Jahren, und als Gorbatschow 1985 Generalsekretär der KPdSU wurde, machte er den damals 57-jährigen Schewardnadse zu seinem Außenminister. Der außenpolitisch unerfahrene Georgier, der nur schlecht Englisch sprach, wurde anfangs belächelt. Doch schnell stellte sich heraus, dass Schewardnadse großes Geschick auf internationalem Parkett besaß. "Er konnte mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt kommen, egal, ob Jugendliche oder die ältere Generation", sagte Gorbatschow jetzt über seinen verstorbenen einstigen Mitstreiter.

Schewardnadse sorgte mit dafür, dass die Sowjet-Truppen aus Afghanistan abgezogen wurden, dass sich die Sowjetunion und die USA über Abrüstung verständigten und der Kalte Krieg beendet wurde. Er war federführend am Prozess der deutschen Wiedervereinigung beteiligt. Mit dem damaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seinem amerikanischen Amtskollegen James Baker verstand er sich hervorragend.

Zuletzt lebte Eduard Schewardnadse zurückgezogen in seiner Residenz außerhalb von Tiflis.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort