Jerusalem Israels Regierung vor der Zerreißprobe

Jerusalem · Angesichts der Eskalation der Gewalt bricht Außenminister Lieberman mit dem regierenden Likud.

Mord löst Krawalle in Jerusalem aus
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Mord löst Krawalle in Jerusalem aus

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Der Schlagabtausch zwischen Israel und der im Gaza-Streifen herrschenden Hamas wird immer härter. Nach heftigen Luftangriffen Israels kündigte die radikal-islamische Organisation gestern Rache für den Tod von neun Menschen an. Die Krise stellt Israels Regierung unter Benjamin Netanjahu vor eine Zerreißprobe: Außenminister Avigdor Liebermann trat mit seinen elf Abgeordneten wieder aus der Regierungspartei Likud aus, mit der er vor den Wahlen fusioniert hatte.

Anlass für seine Entscheidung ist der Streit um den Umgang mit der Krise: "Ein Zustand, in der eine Terrororganisation über Hunderte Raketen verfügt und jeden Augenblick frei entscheiden kann, wann sie sie einsetzen will, ist untragbar. Ich verstehe nicht, worauf wir warten", sagte Liebermann, der einen Einmarsch im Gaza-Streifen fordert.

Damit liegt Liebermann im Trend. Rund um den Landstrich wächst der Unmut Hunderttausender Israelis, die seit mehr als drei Wochen täglich vor Dutzenden Raketen in Bunkern Schutz suchen müssen. "Die Regierung nennt 20 Raketen am Tag Routine", wetterte der Vorsitzende des Ortsrates von Haim Yellin. "Wie sollen wir so unsere Kinder großziehen?" Liebermann will zwar Netanjahus Regierung nicht zu Fall bringen. Der Premier steht immer noch der größten Partei vor, wenn auch die zweitgrößte Partei des Finanzministers nur über einen Sitz weniger verfügt. Doch die Spaltung des Likud erhöht den Druck auf den Premier, militärisch zu reagieren.

Andererseits waren sich linke und rechte, religiöse und säkulare Israelis niemals so einig wie jetzt: Politiker aller Parteien, Rabbiner und Aktivisten verurteilten die Ermordung Muhammad Abu Khdeirs, eines arabischen Teenagers aus Ost-Jerusalem, der vergangene Woche entführt und dann lebendig verbrannt worden war.

Seitdem die Polizei bekannt gab, sechs israelische Extremisten als Tatverdächtige in Haft genommen zu haben, gehen Medien und Politik mit sich selbst hart ins Gericht.

Premier Netanjahu hatte erst vor wenigen Tagen noch Rache für den Mord dreier israelischer Teenager gefordert. Nun machte er eine rhetorische Kehrtwende und rief den Vater des Opfers an, um ihm zu kondolieren. Dabei verurteilte er die Tat in schärfsten Worten: "Ich möchte die Bestürzung aller Israelis über den abscheulichen Mord an Ihrem Sohn zum Ausdruck bringen", sagte Netanjahu und versprach, die Täter der Justiz und ihrer Strafe zuzuführen. Sie haben den Mord inzwischen gestanden.

Nachdem die Wut über die Entführung und den Tod der israelischen Schüler verblasst, geht ganz Israel mit sich ins Gericht. Liberale Politiker wie Wirtschaftsminister Yair Lapid bezeichneten die Ermordung des Palästinensers als "nicht jüdisches, unmenschliches Verhalten". Doch die Krawalle arabischer Bürger greifen, von der Hamas angeheizt, immer weiter um sich. Nachdem es in Ost-Jerusalem und in Nordisrael zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Arabern, der Polizei und Juden gekommen war, hat die Welle der Gewalt nun auch den Süden des Landes erfasst. Wichtige Verbindungsstraßen wurden gesperrt, nachdem Araber Fahrzeuge mit Steinen bewarfen.

(RP)
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