London Großbritanniens Wohlstandskluft weitet sich

London · Die Ungleichheit wird immer größer: Die Reichen werden rasant reicher, die Armen bleiben arm.

Großbritannien ist auf dem besten Wege, die ungleichste Gesellschaft in Europa zu werden. Nach einer von der Zeitung "Sunday Times" zusammengestellten Liste beläuft sich das Vermögen der 1000 reichsten Menschen im Königreich auf zusammen rund 519 Milliarden Pfund. Das sind umgerechnet 637 Milliarden Euro und entspricht rund einem Drittel des britischen Bruttoinlandsprodukts. Anders gesagt: 30 Prozent der Briten, die am unteren Ende der Vermögensskala stehen, besitzen zusammengenommen gerade einmal so viel wie die 64 reichsten Menschen in Großbritannien.

Die Wohlstandsschere klafft nicht nur weit auseinander, sie weitet sich auch immer schneller. Während Normalbriten mit Arbeitslöhnen haushalten müssen, die kaum Schritt mit der Inflation halten, schnellte der Vermögenszuwachs an der Spitze der Pyramide in einem Jahr um 13 Prozent nach oben. Kein Zweifel: Die Reichen im Königreich werden reicher, und das rasant. Die Einschnitte der letzten fünf Jahre, in denen die britische Wirtschaft die schlimmste Rezession ihrer Geschichte durchmachte und die Regierung ein radikales Sparprogramm durchzog, hat die Reichsten im Land nicht berührt, im Gegenteil. Sie konnten ihr Vermögen in diesem Zeitraum glatt verdoppeln.

Damit hat sich auch der Eintrittspreis in diesen Club der Dagobert Ducks erhöht. Reichten 2008, im Boom-Jahr kurz vor dem Crash, noch 80 Millionen Pfund, um auf die Reichenliste zu gelangen, waren in diesem Jahr 85 Millionen Pfund nötig. Um allerdings zu den Top 500 zu gehören, muss man inzwischen schon 190 Millionen Pfund schwer sein. Frauen sind kaum vertreten - nur 114 erscheinen auf der Liste, darunter, auf Platz 180, die Harry-Potter-Autorin Joanne Rowling mit einem Vermögen von 570 Millionen Pfund. London ist mit Abstand die reichste Gegend des Landes, hier leben 438 der 1000 im Ranking aufgeführten Magnaten.

Muss man sich Sorgen machen, wenn das Einkommen im Land so ungleich verteilt ist? Keinesfalls, findet jedenfalls die "Sunday Times". "Bekämpft nicht die Reichen", titelt ein Leitartikel, "werdet selber einer". Immerhin zeuge doch der Vermögensanstieg der Finanzgrößen davon, wie tüchtig sie seien, denn die große Mehrheit habe ihren Reichtum nicht ererbt, sondern erarbeitet. Darauf müsse man anderswo eher neidisch sein.

Der große Vermögenszuwachs der wenigen Reichen scheint allerdings auch die These des französischen Ökonomen Thomas Piketty zu belegen, wonach der Kapitalismus zwangsläufig zu mehr Ungleichheit führt, weil das Einkommen durch Arbeit stets hinter das Einkommen durch Kapital zurückfällt. Die Reichenliste dürfte damit eine Steilvorlage für die Opposition werden, die derzeit mit dem Schlagwort "Lebenshaltungskostenkrise" beim Wähler punktet. Die Labour-Partei argumentiert, dass das Wirtschaftswachstum in Großbritannien an den einfachen Leuten vorbeigeht: Die hätten immer noch mit Mini-Löhnen und steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen.

(RP)
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