Jerusalem Die zynische Strategie der Hamas

Jerusalem · Die Islamisten verschanzen sich im Gaza-Streifen hinter der Bevölkerung, um mit hohen zivilen Verlusten Propaganda betreiben zu können. Doch die Rechnung geht nicht auf: Fast weltweit wird Israels Recht auf Verteidigung akzeptiert.

Ungeachtet aller Bemühungen um eine Waffenruhe gehen die Kämpfe zwischen Israel und der in Gaza herrschenden Hamas unvermindert weiter; bis gestern starben 166 Palästinenser. In Vorbereitung größerer Angriffe rief Israels Armee die Einwohner des nördlichen Gaza-Streifens über Flugblätter auf, ihre Wohnungen zu räumen. Die meisten Raketen auf Israel würden aus dieser Gegend um Beit Lahia abgefeuert.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wirft der Hamas vor, sie missbrauche Palästinenser als menschliche Schutzschilde. "Wir greifen die Hamas mit wachsender Härte an", sagte Netanjahu bei der Kabinettssitzung in Jerusalem. "Aber man muss verstehen, wie unser Feind agiert. Wer versteckt sich in Moscheen? Die Hamas. Wer versteckt Waffen unter Krankenhäusern? Die Hamas. Wer verlegt Kommandozentren in Wohnhäuser oder in die Nähe von Kindergärten? Die Hamas", sagte Netanjahu. Die radikal-islamische Organisation stürze die Zivilisten bewusst ins Unglück.

Papst Franziskus hat mit einem eindringlichen Appell zum Frieden aufgerufen. "Mit Blick auf die tragischen Ereignisse der letzten Tage richte ich an alle den sorgenvollen Appell, weiter intensiv für den Frieden im Heiligen Land zu beten", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche nach dem Angelus-Gebet vor Tausenden Pilgern auf dem Petersplatz. "Ich ermahne die Konfliktpartner und alle politisch Verantwortlichen, keine Mühen zu scheuen, um die Gewalt zu beenden."

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas forderte internationale Hilfe: In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bat er darum, "den Staat Palästina offiziell dem internationalen UN-Schutzprogramm zu unterstellen". Bei einem Treffen arabischer Außenminister werde man heute auch die Ausarbeitung eines entsprechenden Antrags an den UN-Sicherheitsrat fordern.

Israel hat sich aber nach Ansicht von Beobachtern politisch und militärisch bisher besonnen verhalten. Israels Recht auf Selbstverteidigung werde bislang selbst in kritischen Kreisen nicht bestritten. Die Regierung Netanjahu hat den Palästinensern sogar Nachschub geliefert: In den Gaza-Streifen fuhren nicht nur täglich Lastwagen mit Lebensmitteln für die notleidende Zivilbevölkerung. Sie wurde auch ununterbrochen mit Wasser, Strom, Benzin und Brennstoff aus Israel versorgt.

Die Hamas erlitt dagegen etliche Niederlagen - zuletzt Samstagnacht, als sie einen Großangriff auf Tel Aviv ankündigte. Alle Raketen wurden abgefangen - und die Bevölkerung in Gaza konnte dies live miterleben, weil der TV-Sender der Hamas siegessicher die Direktübertragungen der israelischen Fernseh-Kanäle übernommen hatte. So sah man in Gaza auch nach jedem Abschuss die feixenden israelischen Moderatoren und das erleichterte Händeklatschen der all dies fotografierenden Israelis im alten Hafen von Tel Aviv.

Wegen der zynischen Strategie der Palästinenser, die eigene Bevölkerung zu gefährden, um mit deren Verlusten die Israelis international als Verbrecher brandmarken zu können, bekämpfen Israels Streitkräfte den Gegner auch in Wohngebieten. Doch versucht die Armee mit dafür eigens entwickelten Methoden, Zivilisten zu schonen. Es ist selten, dass Israelis und Palästinenser eine solche Aktion gleich beschreiben. Doch über die Umstände des Unglücks, das beispielsweise die Familie Karawe in Khan Junis ereilte, sind sich beide Seiten einig: Der Tod kam nicht überraschend.

"Es begann mit einem Telefonanruf", berichtet die Palästinensische Autonomiebehörde in Übereinstimmung mit israelischen Armeeberichten. Ein Soldat war in der Leitung: "Hier spricht der Militärgeheimdienst. Wir werden euer Haus bombardieren. Ihr müsst es sofort räumen." Niemand im Haus von Odeh Karawe war überrascht: Er ist hochrangiger Kommandeur der Hamas.

Alle packten sofort ihre Sachen und flohen. Kurz darauf hörten sie ein Krachen: Eine Rakete ohne Sprengkopf schlug auf das Dach: "Wir nennen das ,Anklopfen' als weitere Warnung", erläuterte ein Armeesprecher unserer Zeitung.

Doch was dann folgte, kam unerwartet: "Unsere Nachbarn stürmten ins Haus, um einen menschlichen Schutzschild zu bilden", berichtete Muhammad Karawe später. "Manche liefen sogar auf das Dach, um den Angriff abzuwenden." Aber es war zu spät: Der Pilot hatte seine scharfe Rakete bereits abgefeuert. Sie traf das Haus. Acht Menschen wurden tot aus den Trümmern geborgen, darunter Kinder, 40 Menschen wurden teils schwer verletzt.

(RP)
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