Ein Herz für Europa Merkel will die EU-Verfassung retten

Berlin (rpo). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das "Projekt Europa" neu beleben. Sie kündigte an, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab 2007 für einen Neuanlauf zu einer gemeinsamen europäischen Verfassung zu nutzen.

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Foto: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel will die umstrittene EU-Verfassung spätestens im ersten Halbjahr 2007 retten. "Wir brauchen den Verfassungsvertrag", betonte Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung zur Europapolitik am Donnerstag im Bundestag. Deutschland übernimmt Anfang 2007 den EU-Vorsitz. Die Kanzlerin warb für mehr Bürgernähe und eine "Neubegründung" der europäischen Idee. Die Grünen warfen Merkel vor, "zu abstrakt" auf die Akzeptanzkrise der EU zu reagieren.

Die Bundeskanzlerin erklärte, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei Europa als Friedensgemeinschaft eine bahnbrechende Idee gewesen. Heute müssten sich die europäischen Werte in einer globalisierten Welt behaupten. Die Menschen hätten Zweifel, dass die Idee der sozialen Marktwirtschaft umzusetzen sei. "Europa muss zeigen, dass es in einer Welt größeren Wettbewerbs und der Globalisierung Politik nach seinen Wertvorstellungen gestalten kann", sagte Merkel.

"Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als der historischen Begründung der EU eine Neubegründung hinzuzufügen", forderte die Regierungschefin. "Wir müssen die Bürger in den Mittelpunkt stellen." Nur wenn die Menschen sähen, welchen Nutzen ihnen diese Union bringe, ließen sie sich für die Idee eines geeinten Europas wieder begeistern.

Sicherheit nach innen und außen

Erfolge müssten sichtbar werden bei der wirtschaftlichen Dynamik, im Bereich der Sicherheit nach innen und nach außen sowie bei der Handlungsfähigkeit, forderte die Kanzlerin. Europa müsse vorne sein bei Bildung, Innovation und Forschung: "Das sind unsere Stärken." Die europäischen Strukturen dürften nicht nach regionalpolitischen Interessen ausgerichtet werden, sondern nach Leistung. Auch sei der Bürokratieabbau die Forderung der Stunde.

Merkel warb für ein handlungsfähiges Europa. Dafür sei der Verfassungsvertrag nötig, der allerdings in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden war. Der Vertrag könne aber nicht mit einem "Schnellschuss" durchgesetzt werden.

Der Kanzlerin kündigte an, spätestens unter deutscher Präsidentschaft wolle sie einen neuen Versuch unternehmen, den Stillstand zu durchbrechen. Denn der Vertrag schreibe klare Kompetenzverteilungen fest. "Verwischte Kompetenzen sind immer eine Demokratiedefizit." Die Menschen wüssten dann nicht mehr, wen sie für was verantwortlich machen könnten.

Noch stärker als zuvor Merkel warb in der anderthalbstündigen Debatte über die Regierungserklärung Unionsfraktionschef Volker Kauder für eine "Phase der Konsolidierung" in der EU. Die Europäische Union könne nicht unbegrenzt wachsen, betonte Kauder. "Die Länder müssen schon fit für Europa sein." Auch müsse der Aufnahmewunsch eines Landes mit der Aufnahmefähigkeit der EU in Einklang gebracht werden. Derzeit gibt es 25 Mitgliedstaaten.

Grüne vermissen bei Merkel Visionen

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte Merkels Erklärung als zu wenig konkret. "Es war eine Art abstraktes Gemälde, aber es war zu abstrakt", sagte Künast. In der "kleinen politischen Krise der (Europäischen) Union" fehlten Visionen. Dazu gehöre die Antwort auf die Frage: "In welchem Europa wollen wir leben?"

Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach sich für soziale Mindeststandards in einem vereinten Europa aus. Stattdessen gebe es aber weitere Steuersenkungen für Unternehmen und "Bestverdiener". Der FDP-Europa-Experte Werner Hoyer meinte: "Der Zustand der europäischen Union ist überaus Besorgnis erregend." Der CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn erklärte, es gebe eine "Akzeptanzkrise der Union - vielleicht die größte, die sie jemals hatte".

(afp2)
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