Nähe zu russischen Geheimdienstkreisen Bundesinnenministerin Faeser stellt BSI-Chef Schönbohm frei

Berlin/Nürnberg · Das Bundesamt, das sich um die IT-Sicherheit kümmern soll, bekommt eine neue Leitung. BSI-Chef Schönbohm muss gehen. Hintergrund ist der Vorwurf, er habe Warnungen vor Kontakten eines von ihm mitgegründeten Vereins auf die leichte Schulter genommen.

Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), spricht im Nationalen IT-Lagezentrum zu Mitarbeitern (Archivfoto).

Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), spricht im Nationalen IT-Lagezentrum zu Mitarbeitern (Archivfoto).

Foto: dpa/Oliver Berg

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, freigestellt. Das teilte ein Sprecher ihres Ministeriums am Dienstag in Berlin mit. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.

Schönbohm stand wegen angeblich mangelnder Distanz zu russischen Geheimdienstkreisen über den umstrittenen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“ in der Kritik. Wer seine Nachfolge antreten soll, steht laut Innenministerium noch nicht fest.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, schrieb auf Twitter, dies sei eine „gute Entscheidung“. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin, warnte: „Die Leerstelle in der Führung von Deutschlands oberster
Cybersicherheitsbehörde darf nicht zu deren Lähmung führen.“ Vor dem Hintergrund der „aktuellen Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und der hohen Gefährdung durch Russland“ dürfe es keinen Stillstand bei der Cybersicherheit geben.

Wie der Sprecher mitteilte, entschied die Ministerin, Schönbohm „die Führung der Dienstgeschäfte als Präsident des BSI mit sofortiger Wirkung zu untersagen“. Hintergrund seien nicht zuletzt die in den Medien bekannten und breit diskutierten Vorwürfe. Diese hätten „das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt“. Dies gelte umso mehr in der aktuellen Krisenlage hinsichtlich der russischen hybriden Kriegsführung. Die im Raum stehenden Vorwürfe beeinträchtigten auch das unerlässliche Vertrauensverhältnis der Ministerin in die Amtsführung.

Der Posten des BSI-Präsidenten wird nicht von einem sogenannten „politischen Beamten“ bekleidet. Behördenleiter dieser Kategorie können, weil hier eine fortdauernde Übereinstimmung mit der Regierungspolitik erwartet wird, jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Das war beispielsweise 2018 der Fall, als der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen in den einstweiligen Ruhestand geschickt hatte.

Während in Unionskreisen von einem „Bauernopfer“ die Rede war, hieß es aus dem Ministerium, die Entscheidung erfolge „auch aus Fürsorge für die im Fokus der Debatte stehende Person selbst“. Sie sei auch im Interesse der über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BSI, die so nunmehr unabhängig von personellen Spekulationen ihrer Arbeit nachgehen könnten. Davon unabhängig würden „alle bekannten Vorwürfe gründlich und mit Nachdruck geprüft und einer eingehenden Bewertung unterzogen“. Bis zum Abschluss dieser Prüfung gelte für Schönbohm selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Faeser war nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur darüber verärgert, dass der BSI-Chef weiterhin Kontakte zu dem umstrittenen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“ gepflegt hatte, den er vor zehn Jahren selbst mitgegründet und geleitet hatte, der zuletzt aber wegen Verbindungen zu russischen Geheimdiensten in die Kritik geriet.

Die Verbindung von Schönbohm zu dem umstrittenen Verein war zuvor von Jan Böhmermann in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ thematisiert worden. Dabei ging es zum einen um die Russland-Kontakte des „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“. Zum anderen nahm der Beitrag die Berliner Cybersecurity-Firma Protelion ins Visier, die bis vor kurzem Mitglied im „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ war.

Das Unternehmen firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs GmbH. Dabei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der russischen Cybersecurityfirma O.A.O.Infotecs, die nach Informationen des Recherchenetzwerks Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet wurde. Der war von Russlands Präsident Wladimir Putin für sein Wirken mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet worden.

Am Montag vergangener Woche hatte der Verein erklärt, man habe die Firma ausgeschlossen. „Das Agieren der Protelion GmbH ist ein Verstoß gegen die Vereinsziele des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“, sagte Vereinspräsident Hans-Wilhelm Dünn. Die im Raum stehenden Vorwürfe seien nicht vereinbar mit dem Kampf gegen Cyberkriminalität und der Förderung von Cybersicherheit. Aus Sicherheitskreisen war auch Kritik an Dünn zu vernehmen. Dieser habe offensichtlich kein ausreichendes Problembewusstsein, was bestimmte Russland-Kontakte angehe, hieß es.

(mzu/dpa)
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