Wurde Merkels Handy von der NSA abgehört? Bundesanwalt schaltet sich in Abhöraffäre ein

Berlin · Nun hat sich auch die Bundesanwaltschaft in die Affäre um die mutmaßliche Überwachung eines Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch die USA eingeschaltet: Die Behörde legte einen sogenannten Beobachtungsvorgang an.

Außerdem will sie die mit der Affäre befassten Bundesbehörden um Übermittlung ihrer Erkenntnisse bitten, wie ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte. Außenminister Guido Westerwelle hat unterdessen den US-Botschafter einbestellt. Dabei werde dem Spitzendiplomaten am Donnerstag "die Position der Bundesregierung deutlich dargestellt werden", sagte eine Außenamtssprecherin. Die Einbestellung des Botschafters eines verbündeten Staates gilt als ungewöhnlicher diplomatischer Akt. In Berlin wollte zugleich das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zu einer Sondersitzung zusammentreffen.

Stegner: Pofalla ist widerlegt

Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner hält unterdessen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) für widerlegt, der die NSA-Affäre in Deutschland vor der Bundestagswahl für beendet erklärt hatte. "Jetzt ist für alle klar und offenkundig, dass Herr Pofalla eben nicht Recht hatte, als er die NSA-Affäre vor einigen Monaten für beendet erklärt hat", sagte Stegner unserer Redaktion. "Dass die NSA-Affäre nicht vorbei ist, hat die Kanzlerin mit ihrem Anruf bei Obama eindrucksvoll bestätigt", sagte der Koordinator der SPD-Parteilinken.

"Meine Sorge gilt aber nicht allein den Kommunikationsdaten der Kanzlerin, sondern der aller Bundesbürger. Nicht nur das Kanzlerin-Handy ist das Problem, sondern das breit angelegte Ausspähen der Daten aller Bürger durch den US-Geheimdienst" sagte Stegner. "In den Koalitionsverhandlungen müssen wir darauf dringen, dass über europäische Institutionen Druck ausgeübt wird, um die internationalen Datenschutz-Standards zu verbessern", forderte der SPD-Politiker, der Mitglied der Arbeitsgruppe Inneres und Justiz bei den Koalitionsverhandlungen ist.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat das mutmaßliche Abhören des Mobiltelefons von Angela Merkel als schweren Vertrauensbruch verurteilt. "Eine Entschuldigung der USA ist überfällig", sagte der geschäftsführend amtierende Minister der "Leipziger Volkszeitung". Weiter erklärte er: "Freunde abzuhören und auszuschnüffeln ist weder im privaten noch im öffentlichen Bereich und auch nicht zwischen befreundeten Staaten akzeptabel."

EU-Gipfel: Merkel und Hollande wollen sich beraten

Der Skandal um die US-Spionage in Europa überschattet auch das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande werden nach Angaben aus Paris am Rande des Gipfels am Donnerstag über die neuen Spionagevorwürfe gegen die US-Geheimdienste beraten. Das bilaterale Treffen sei zwar nicht deswegen vereinbart worden, "aber sie werden selbstverständlich darüber sprechen, um ihre Reaktion abzustimmen", verlautete aus französischen Regierungskreisen.

Die EU-Kommission forderte ein Signal der Geschlossenheit vom Gipfel. "Jetzt ist es an der Zeit für Taten und nicht nur für Erklärungen", sagte die Sprecherin von EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Datenschutz muss gelten, egal ob es die E-Mails der Bürger betrifft oder das Mobiltelefon von Angela Merkel."

Offiziell steht das Thema Internet und Telefonieren oben auf der Tagesordnung. Dabei geht es aber weniger um Datenschutz, als um die wirtschaftliche Entwicklung des digitalen Sektors.

(AFP/dpa/RP/REU)
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