Schweden sind Europas Aktien-Freunde Deutsche sind bei Unternehmansanteilen skeptisch

Frankfurt/Main (AP). Trotz des Börsenbooms der vergangenen Jahre liegt die Zahl der deutschen Privataktionäre immer noch am unteren Ende der europäischen Skala. Spitzenreiter sind die Schweden: Dort ist mehr als ein Drittel der Bevölkerung im Besitz von Unternehmsanteilen.

In Deutschland sind es dagegen nur magere acht Prozent. "Schweden ist ein echtes Phänomen", sagt Burkhard Pahnke vom Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt am Main.

Nach Angaben der Stockholmer Börse halten Privathaushalte ein Viertel des gesamten Aktienkapitals. "In Schweden ist es Alltag, wenn ein Arbeiter sich regelmäßig Aktien kauft", berichtet Karl-Olaf Andersson, Wirtschaftsexperte bei der schwedischen Botschaft in Berlin. Längst seien dort die Zeiten vorbei, in denen Aktienbesitzer als besonders innovativ oder risikofreudig galten. Bei Banken lege kaum noch jemand sein Erspartes an: "Dort gibt es ja seit Jahren nur noch eineinhalb oder zwei Prozent Zinsen."

Das Phänomen lässt sich mit einem Blick in die Vergangenheit relativ leicht erklären. Anfang der 90-er Jahre setzte unter der konservativen Regierung von Ministerpräsident Carl Bildt die Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe ein, und der Aktienankauf wurde mit Steuervergünstigungen belohnt. Viele Schweden lockte laut Andersson die Möglichkeit, monatlich 100 Kronen an Steuern zu sparen. Vor allem Fonds zur Altersvorsorge fanden immer mehr Anhänger, und die Anleger hielten auch nach dem Wegfall der staatlichen Förderung an ihren Aktien fest.

Experten fordern punktuelle staatliche Förderung

Heute liegt Schweden mit seinem Aktionärsanteil von 35,3 Prozent nur knapp hinter der weltweiten Nummer Eins Australien mit 40 Prozent. Allerdings änderten sich die Vorlieben: Besonders begehrt sind heute nicht mehr Anteile an ehemaligen Staatsbetrieben etwa aus der Stahlbranche, sondern an Großunternehmen wie Volvo, Ericsson, ABB, Elektrolux, Exxon oder Saab. Den höchsten Anteil an privaten Anteilseignern verzeichneten junge Betriebe aus dem Internet-Bereich, sagt Leif Vindevaag, Sprecher der Stockholmer Börse.

"Vielleicht ist die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem auch eine typisch schwedische Eigenschaft", vermutet Andersson. Allerdings hätten auch die Schweden "die Aktionärsfreude nicht wie die Amerikaner oder die Briten mit der Muttermilch aufgesogen", meint Panke. Vor allem in den USA - dort besitzt jeder Vierte Aktien - herrsche traditionell ein ausgeprägteres unternehmerisches Denken als in weiten Teilen Europas. Die meisten Europäer könnten daher nur mit Hilfe punktueller staatlicher Förderung etwa zur Altersvorsorge an den privaten Aktienhandel herangeführt werden.

Falls das funktioniert, könnte Deutschland nach Einschätzung der Experten schon in etwa zehn Jahren einen ebenso hohen Aktionärsanteil haben wie Schweden. Die Entwicklung seit dem Börsengang der Deutschen Telekom im November 1996 lasse hoffen: Nachdem sich in den Vorjahren immer nur 15 bis 20 deutsche Unternehmer an die Börse wagten, stieg die Zahl explosionsartig und erreichte im vergangenen Jahr laut offiziellen Angaben einen Rekordstand von 168. "Das war ein echter Quantensprung", sagt Pahnke. "Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg."

(RPO Archiv)
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