Spurensuche wider das Vergessen Isländerin sucht nach Verschollenen im Bosnienkrieg

Karlsruhe/Prijedor (dpa). Die Opfer des Tschetschenien-Kriegs sind gegenwärtig, die aus dem Kosovo in Erinnerung, doch die Verschollenen aus Bosnien sind bei vielen in Vergessenheit geraten. Noch rund 30.000 Menschen gelten dort als vermisst. Der schwierigen Spurensuche hat sich die isländische Anthropologin Eva Klonovski verschrieben. Etwa 70 bosnischen Flüchtlingen - vor allem Angehörigen von Verschollenen und ehemaligen Lagerhäftlingen - berichtete sie am Sonntagnachmittag in Karlsruhe von ihren Recherchen.

"Jeder weiß von Srebrenica, aber mittlerweile weiß niemand mehr, was in Prijedor geschah", sagt Klonovski, die seit zweieinhalb Jahren im Auftrag des bosnischen Staates für die "Kommission für Verschollene" arbeitet. Was 1992 in dem nordbosnischen Gebiet geschah, war aus ihrer Sicht kein Krieg. "Es war Ermordung von Zivilisten. Sie sind einfach abgeschlachtet worden."

Die meisten der am Sonntag in Karlsruhe versammelten Bosnier stammen aus dieser Gegend: Es sind Männer, aber auch Frauen, die dort in Lagern gelitten haben, Frauen, die vergewaltigt wurden und ihre Angehörigen, Haus und Heimat verloren haben. Und sie wollen vor allem eines: Gewissheit. "Ungewissheit ist das Allerschlimmste", sagt die Richterin Jasmina Prpic, die selbst vor Jahren nach Deutschland geflüchtet ist. Mit der Öffnung von Massengräbern hoffen sie, ihre Angehörigen zu finden und sie würdig begraben zu können. Zugleich wollen sie damit einen Beweis für den Völkermord erbringen.

Doch die Suche ist schwierig und gefährlich. Zum einen hat die Zeit nach acht Jahren ihr Werk getan. Zum anderen tun die Täter von damals nach Erfahrung von Klonovski alles, um die Spuren ihrer grausigen Taten zu verwischen. Das ehemals bosnische Prijedor gehört heute zur Republika Srpska, dem von den Serben bewohnten Teil des Landes.

272 Menschen sollen allein bei Vlasic von den Serben erschossen worden sein. Doch als die Ermittler kamen, wurden nur noch 50 einzelne Knochen gefunden. Teils soll der Bach unterhalb der Schlucht die menschlichen Überreste weggeschwemmt haben. Flüchtlinge berichteten aber auch, dass viele Leichen von den Serben weggeschafft worden seien: zum Staudamm von Zune, in eine Ziegelfabrik oder in das Schlachthaus von Prijedor.

"Die meisten wird man nie finden", ist Enisa Ceric aus Prijedor überzeugt. Bei den gefundenen Toten ist die Identifizierung schwierig. Vergleichsweise einfach ist es für Klonovski und ihre Mannschaft, wenn Zeugen oder Angehörige sie zu einzelnen Gräbern führen. Doch oft trauen sich Angehörige nicht, zum Ort des Grauens zurückzukommen. Auch haben sie Angst, dass sie in den Staat, der sie aufgenommen hat, dann nicht mehr zurückkehren können.

Ganz wichtig ist für Klonovski und die Betreuer von Flüchtlingen deshalb der Bleiberechts-Status im Aufnahmestaat. Für diesen Montag ist ein Besuch beim Karlsruher Regierungspräsidium geplant. Denn die meisten der in Baden-Württemberg lebenden 5.664 Bosnier sind nur geduldet. Sie müssen ihren Aufenthalt von den Behörden immer wieder verlängern lassen.

"Das ist Psychoterror und für diese Menschen unzumutbar", meint Heidi Meier-Menzel, die seit Jahren die von schrecklichen Erlebnissen traumatisierten Bosnier in Karlsruhe betreut. Wie nah das damals Erlebte noch heute ist, wurde bei der Veranstaltung deutlich: Einige Frauen brachen bei Klonovskis Bericht in Tränen aus.

(RPO Archiv)
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