Sorge vor Chemiewaffen in Syrien USA und Türkei proben Worst-Case-Szenario

Berlin · Aus Sorge vor einem möglichen Einsatz von Chemiewaffen und einer Verschärfung des Flüchtlingselends in Syrien bündeln die USA und die Türkei ihre strategischen Kräfte. Mit der Bildung einer gemeinsamen Taskforce würden sich Washington und Ankara auf einen Extremfall einstellen.

Syrische Kinder mitten im Krieg
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Das kündigten US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr türkischer Kollege Ahmet Davutoglu am Samstag nach einem Treffen in Istanbul an. Die Arabische Liga kündigte derweil eine Krisensitzung ihrer Außenminister zur Lage in Syrien an. Das Treffen soll demnach am Sonntag in saudiarabischen Dschidda stattfinden.

Im erbittert umkämpften Aleppo setzten die Regierungstruppen ihre Offensive gegen die Rebellen unvermindert fort. Aktivisten berichteten von anhaltend heftigem Bombardement der Wirtschaftsmetropole. Im Zentrum der Hauptstadt Damaskus explodierten zwei Bomben. Unterdessen berichtete ein der Regierung von Assad nahestehender syrischer Fernsehsender von der Entführung vier seiner Mitarbeiter.

Angesichts der immer dramatischeren Lage in Syrien haben sich die USA und die Türkei auf die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe verständigt, wie Clinton und Davutoglu am Samstag mitteilten. Der Krisenstab werde für die Koordination der Reaktion auf militärischer, geheimdienstlicher und politischer Ebene verantwortlich sein, sollte es zu einem Angriff mit Chemiewaffen oder einem dramatischen Anstieg der Flüchtlingsströme kommen.

Im Juli hatte der Sprecher des syrischen Außenministeriums für den Fall eines Angriffs von außen mit dem Einsatz chemischer und biologischer Waffen gedroht. Dabei versicherte er, dass das Regime die Waffen nie gegen die eigene Bevölkerung einsetzen würde. Die Stellungnahme galt als erstes Eingeständnis, dass Damaskus wie vermutet Massenvernichtungswaffen besitzt. Allerdings ruderte das Regime später wieder zurück und wollte die Existenz solcher Waffen weder bestätigen noch leugnen.

Die amerikanisch-türkisch Taskforce werde das Engagement der Geheimdienste und Streitkräfte beider Länder verstärken, sagte Clinton weiter. Man habe zwar bereits im Laufe des Konflikts in Syrien eng zusammengearbeitet. "Aber jetzt müssen wir uns mit den Einzelheiten einer solchen Einsatzplanung auseinandersetzen. Und das muss auf bilateraler Regierungsebene geschehen", sagte Clinton.

Ihr Kollege Davutoglu deutete eine mögliche Einrichtung einer sogenannten "Sicherheitszone" in Syrien an, um Kriegsflüchtlinge vor möglichen Angriff durch Truppen oder Kampfjets Assads zu schützen. "Wir müssen uns auf ein Eingreifen vorbereiten", erklärte Davutoglu weiter, ohne Einzelheiten zu nennen.

Schon jetzt hätten 55.000 Syrer in der benachbarten Türkei Zuflucht gesucht. Täglich kämen 2.000 bis 3.000 weitere Menschen ins Land. Die meisten flohen aus der seit zwei Wochen erbittert umkämpften syrischen Stadt Aleppo.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind inzwischen fast 150.000 Menschen aus Syrien in Nachbarländer geflohen. Behördenvertreter gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge eher bei mehr als 200.00 liegen dürfte, da sich nicht alle Flüchtlinge als solche registrieren lassen.

Während ihres Besuchs in Istanbul traf sich Clinton auch mit syrischen Flüchtlingen, für die die Hilfe aus Washington Kreisen zufolge aufgestockt werden soll. Für den Tagesverlauf waren auch Gespräche mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und Staatschef Abdullah Gül sowie Vertretern der syrischen Opposition geplant.

In Aleppo ging die Offensive der Streitkräfte gegen Stellungen der Rebellen unvermindert weiter. Dabei habe ein Helikopter Raketen auf Wohngebäude abgefeuert, berichtete die in London ansässige Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch das angrenzende Stadtviertel Saif al Dawla sei von Raketen getroffen worden, hieß es am Samstag auf der Webseite des Aktivistennetzwerks.

Bewaffnete verübten derweil in der Innenstadt von Damaskus laut einem Medienbericht zwei Bombenanschläge. Das syrische Staatsfernsehen berichtete, die Behörden fahndeten nach dem Vorfall nach einer "Terroristengruppe". Einer der unter einem Baum versteckten Sprengsätze sei am Samstag im zentralen Bezirk Mardsche explodiert, als ein Fahrzeug mit Soldaten vorbeigefahren sei, sagte ein Behördenvertreter vor Ort der Nachrichtenagentur AP.

Anschließend hätten die Attentäter das Feuer auf Zivilisten eröffnet, hieß es weiter. Verletzt wurde niemand. Im Zusammenhang mit Aufständischen, die das Regime von Assad bekämpfen, sprechen die Behörden für gewöhnlich von "Terroristen".

Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht zu erfahren, allerdings berichteten Einwohner der Hauptstadt, dass sie eine laute Explosion sowie anschließend Schüsse gehört hätten.

Unterdessen hätten syrische Truppen den dritten Tag in Folge Mörser- und Artilleriegranaten auf das im Norden von Damaskus gelegene Viertel Al-Tal abgefeuert, berichtete der dort ansässige Aktivist Mohammed Saeed. Dabei seien auch Kampfhubschrauber zum Einsatz gekommen. "Die Situation ist sehr besorgniserregend, die Stadt ist vollkommen belagert", sagte Saeed weiter.

Ein libanesisches Militärgericht erhob derweil Anklage gegen den früheren Informationsminister Joseph Samaha und einen ranghohen Vertrauten Assads, wie die amtliche Nachrichtenagentur NNA mitteilte. Ihnen wird vorgeworfen, einen Terroranschläge im Libanon geplant zu haben. Samah gilt als eine der glühendsten libanesischen Unterstützer des syrischen Regimes.

(afp)
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