Neustart der US-Politik Mit 17 Federstrichen

Washington · Klima, Gesundheit, Abrüstung: US-Präsident Joe Biden verliert am ersten Arbeitstag keine Zeit und macht per Dekret in großem Stil Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig.

 Joe Biden bei der Unterzeichnung der ersten Dekrete.

Joe Biden bei der Unterzeichnung der ersten Dekrete.

Foto: AP/Evan Vucci

Zwei Büsten stehen jetzt als Blickfang neben dem Kamin im Oval Office, Martin Luther King und John F. Kennedy. Der Bronzeschädel des Bürgerrechtspredigers, den auch Donald Trump nicht aus seinem Büro verbannte, nur eben nicht so zentral platzierte, soll Joe Biden, abgesehen von aller Symbolik, offenbar auch an seine Anfänge erinnern. In New Castle war er einst in den Gemeinderat gewählt worden, weil er schwarzen Bewohnern der Kleinstadt in Delaware das Gefühl vermittelte, dass er sich ihrer Probleme annehmen werde.

Die Bilder aus den Südstaaten, knüppelnde Polizisten im Einsatz gegen afroamerikanische Bürgerrechtler, waren Biden als Teenager dermaßen unter die Haut gegangen, dass er überhaupt erst eine politische Karriere anstrebte. Und die Nähe zu Kennedy, wie er ein Praktiker der politischen Mitte, stellt er immer wieder heraus. Nicht zuletzt wegen der gemeinsamen irischen Wurzeln und der Tatsache, dass JFK der erste Katholik war, der hinter dem „Resolute Desk“ im Oval Office saß. Biden ist nun der zweite.

Auch Franklin D. Roosevelt, der Amerika mithilfe gewaltiger Staatsprogramme aus der Großen Depression holte, ist neuerdings vertreten im Oval Office. Auf einem Gemälde. Weichen musste Andrew Jackson, der Präsident der 1830er-Jahre, ein Populist, in dem Trump ein Vorbild sieht. Der blaue Teppich, der den sandfarbenen Trumps ersetzt, lag schon einmal im Oval Office, nämlich zu Zeiten Bill Clintons. Das Arbeitszimmer also wurde neu dekoriert. Und mit einem administrativen Kraftakt, der alles in den Schatten stellt, was seine Vorgänger in jüngerer Vergangenheit taten, hat Biden auch die politische Renovierung in Angriff genommen.

Am Donnerstag unterzeichnete er ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Corona-Krise. „Amerika verdient eine Antwort auf die Covid-Pandemie, die von der Wissenschaft, von Daten und der öffentlichen Gesundheit bestimmt wird, nicht von der Politik“, ist auf der ersten von 21 Seiten zu lesen. Wobei sich das englische Original, „politics“, vielleicht treffender mit „politische Spielchen“ übersetzen ließe. Bereits am Mittwoch, knapp sechs Stunden nach seiner Vereidigung, hatte Biden 17 Anweisungen unterschrieben. „Ich denke, angesichts der Lage, in der sich die Nation heute befindet, haben wir keine Zeit zu verlieren“, sagte Biden.

Den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen hatte Trump eingeleitet, aufgrund des komplizierten Prozederes dauert es nun 30 Tage, ehe der Wiedereintritt besiegelt werden kann. Außerdem werden die Vereinigten Staaten wieder Mitglied der Weltgesundheitsorganisation. Bereits am Donnerstag sollte Anthony Fauci, der hochgeachtete, von Donald Trump monatelang brüskierte Experte für Infektionskrankheiten, an einer Krisensitzung der WHO teilnehmen. In allen Gebäuden des US-amerikanischen Bundes müssen fortan Mund-Nasen-Masken getragen werden, zunächst für 100 Tage, ebenso in Flugzeugen, Fernbussen und Zügen. Auch der Staatschef wird mit Mund-Nasen-Schutz am Schreibtisch sitzen – was Trump noch als Zumutung empfunden hatte.

Ein Erlass, der Bürgern mehrerer islamisch geprägter Länder, etwa des Irans, Libyens oder Syriens, die Einreise verbietet, gilt nicht mehr. Der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko ist gestoppt, die Genehmigung für die Fertigstellung von Keystone XL widerrufen, jener umstrittenen Pipeline, durch die Öl aus Kanada an die texanische Golfküste gepumpt werden soll. Menschen, die de facto, nur eben nicht de jure Amerikaner sind, nachdem sie im Kindesalter mit ihren Eltern illegal über die Südgrenze kamen, müssen nicht mehr befürchten, abgeschoben zu werden.

Und auch die „1776 Commission“ wird abgewickelt. Nach Donald Trumps Worten sollte die Kommission dafür sorgen, dass an den Schulen ein „patriotisches“ Geschichtsbild vermittelt wird. Die Demokraten sahen darin eher einen Versuch, die Vergangenheit schönzufärben, statt sich ernsthaft mit Rassismus und Sklaverei auseinanderzusetzen.

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