SPD-Fraktionschef zum Ukraine-Krieg Mützenich sieht aktuell keine Verhandlungsbereitschaft bei Putin

Berlin · Während der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der Bundesregierung und insbesondere Kanzler Scholz eine zu große Zögerlichkeit bei ihrer Hilfe für den Abwehrkampf der Ukrainer vorwirft, sieht SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich derzeit keinen Raum für Verhandlungen mit Russlands Präsident Putin über ein Ende des Ukraine-Kriegs.

Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion (Archivbild).

Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion (Archivbild).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Putin wolle nicht verhandeln, sagte der Chef der SPD-Fraktion am Montagabend bei einer Veranstaltung. Er halte aber Diplomatie „für keinen Fehler“, um auf Staaten wie China oder Indien zuzugehen, die Russlands Angriffskrieg bisher nicht verurteilt hätten. Denn diese könnten später helfen, den „Pfad zu Verhandlungen zu weisen“, wenn der Krieg „nicht auf dem Schlachtfeld entschieden wird“.

Mützenich räumte bei der Veranstaltung „Ein Jahr Zeitenwende“ auch eigene Fehler und Versäumnisse bei der Einschätzung Russlands ein. Er sei aber „manchmal irritiert“, wenn einige in der Öffentlichkeit jetzt sagten, eigentlich hätten „sie alles schon gewusst“. Als Sozialdemokrat wolle er dazu auch feststellen: „Die Entspannungspolitik trägt nicht die Verantwortung für den Überfall russischer Streitkräfte auf die Ukraine. Dies hat alleine Präsident Putin zu verantworten.“

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte, Deutschland habe 30 Jahre lang gut gelebt „von der Friedensdividende“ nach dem Ende des Kalten Krieges. „Das war berechtigt, das war richtig und das war gut.“ Nun müsse die Politik die schmerzliche Erfahrung machen, dass auch massive Sanktionen Putin nicht dazu brächten, den Krieg zu beenden. Dies zeige, dass sich Autokraten nicht unter Kontrolle bringen ließen, „wenn man nicht gleichzeitig Abschreckung gewährleistet“.

Im Osten Europas herrsche nun „die nackte Angst“, dass Russland auch dort angreifen könne, sagte der Verteidigungsminister. Deutschland als Nato-Partner müsse deshalb zeigen, dass auf es Verlass sei. Es habe jedoch derzeit „keine Streitkräfte die verteidigungsfähig sind (...) gegenüber einem offensiven, brutal geführten Angriffskrieg“. Deshalb müsse Deutschland „leider wieder viel Geld für Waffen ausgeben“.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) verwies bei der Veranstaltung auf die Notwendigkeit, die Länder des Südens nicht zu vergessen, die etwa bei der Nahrungsmittelversorgung unter den Folgen des Krieges litten. Hier gebe es „die große Befürchtung“, dass Deutschland in seiner Hilfe nachlasse, sagte sie. Deshalb werde auch dort „ganz besonders“ auf die laufenden Haushaltsverhandlungen in Berlin und die dabei vereinbarten Prioritäten geblickt.

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Merz wirft Scholz fehlende Erklärungen vor

Derweil kreidet der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der Bundesregierung eine zu große Zögerlichkeit bei ihrer Hilfe für den Abwehrkampf der Ukrainer gegen Russland an. „Sie versucht immer das Minimum dessen zu tun, um die Ukraine zu unterstützen bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung“, sagte er am Montag in den ARD-„Tagesthemen“. Merz warf insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, seine Politik nicht zu vermitteln. „Er ist uns allen, auch der deutschen Öffentlichkeit, bisher jede Erklärung schuldig geblieben, warum er so zögert.“

Merz sagte, die Bevölkerung verstehe, dass der 24. Februar 2022, an dem der Überfall begann, „ein wirklich tiefer Bruch in unserer europäischen Geschichte ist“. Doch stelle sich die Frage, ob die ausgerufene Zeitenwende eigentlich in der Bundesregierung angekommen ist. Denn die Bundesregierung arbeite „den Koalitionsvertrag weiter ab, als ob da sonst nichts geschehen wäre.“ Es gebe durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine tektonische Verschiebung der Machtstrukturen auf der ganzen Welt. „Meine Einschätzung ist: Dem wird die Bundesregierung nicht gerecht.“

An diesem Montag vor genau einem Jahr hatte Bundeskanzler Olaf Scholz - drei Tage nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine - in seiner sogenannten Zeitenwende-Rede im Bundestag eine Neuausrichtung in der Sicherheitspolitik angekündigt. In den ersten Monaten des Kriegs hatte die anfängliche Zögerlichkeit Berlins bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen in Kiew viel Unmut ausgelöst.

(felt/AFP)
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