Französischer Verfassungsrat Bürgermeister müssen Homosexuelle trauen

Paris · Französische Bürgermeister dürfen nicht unter Berufung auf ihre "Gewissensfreiheit" die Trauung Homosexueller verweigern. Frankreichs Verfassungsrat in Paris wies am Freitag eine Klage einer Vereinigung von Bürgermeistern zurück, die ein solches Recht einforderte.

Erstes schwules Paar heiratet in Frankreich
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Die rechtlichen Vorgaben zur im Mai in Frankreich eingeführten Homo-Ehe seien verfassungskonform, urteilte das Gericht. Die Bürgermeister wollen nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Die Vereinigung der Bürgermeister hatte ein Recht darauf gefordert, die Trauung von Schwulen und Lesben unter Berufung auf ihre "Gewissensfreiheit" zu verweigern. Im Gesetz zur Homo-Ehe ist eine solche Klausel nicht enthalten. Die Bürgermeister sehen darin einen Verstoß gegen in der Verfassung festgeschriebene Grundrechte wie die Meinungs- und Religionsfreiheit.

Der Verfassungsrat urteilte nun, der Gesetzgeber habe keine solche Gewissensklausel im Gesetzestext verankert, "um die Anwendung des Gesetzes durch seine Vertreter sicherzustellen". Damit sollten "das gute Funktionieren und die Neutralität" der staatlichen Stellen garantiert werden. Der Verfassungsrat stellte klar, dass Bürgermeister in ihrer Funktion als Standesbeamte sich nicht auf eine Gewissensfreiheit berufen könnten, um Schwule und Lesben nicht zu trauen. In Frankreich schließen Bürgermeister Ehen.

Der Anwalt der Bürgermeister-Vereinigung bezeichnete die Entscheidung als "schwer nachvollziehbar und juristisch kritisierbar". Der Verfassungsrat sei nicht auf die Argumente der Bürgermeister eingegangen, sagte Geoffroy de Vries, und kündigte einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

Die Vereinigung selbst sprach von einem "Rückschritt für die Menschenrechte". Der Verfassungsrat habe Bürgermeister wie "einfache Beamte" behandelt, dabei seien sie in erster Linie gewählte Volksvertreter. Die Präsidentin der Homo-Ehen-Gegner-Organisation Demonstration für alle, Ludovine de la Rochère, sprach von einer "sehr großen Enttäuschung". "Wir werden in den kommenden Wochen sicherlich zu Demonstrationen aufrufen."

Gegen die Einführung der Homo-Ehe, die gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auch ein Adoptionsrecht einräumt, hatten in Frankreich die konservative Opposition und die katholische Kirche mobil gemacht. Über Monate hinweg gab es Massenproteste mit hunderttausenden Demonstranten. Seit der ersten Schwulenhochzeit Ende Mai gibt es aber kaum mehr Proteste.

Auch konservative Bürgermeister hatten gegen die Einführung der Homo-Ehe mobil gemacht und angekündigt, keine Schwulen und Lesben trauen zu wollen. In der Debatte um die Homo-Ehe sagte Staatschef François Hollande im November 2012 vor einer Bürgermeister-Versammlung noch eine "Gewissensfreiheit" für Stadtoberhäupter zu. Später relativierte er diese Äußerung aber.

In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Konflikten, weil Bürgermeister eine Trauung Homosexueller verweigerten. Innenminister Manuel Valls erinnerte die Bürgermeister Mitte Juni in einem Rundschreiben an die möglichen Konsequenzen - Disziplinarmaßnahmen, Schadenersatzforderungen, aber auch eine strafrechtliche Verfolgung mit bis zu fünf Jahren Haft und 75.000 Euro Geldstrafe. Faktisch können Bürgermeister die Trauung aber an ihre Stellvertreter oder an Mitglieder des Gemeinderats abtreten, wenn diese dazu bereit sind. Problematisch wird es, wenn in einer Gemeinde alle Verantwortlichen die Eheschließung verweigern.

(AFP)
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