Energie-Debatte bei „Markus Lanz“ Gas, Geld und Gerechtigkeit

Düsseldorf · Bei „Markus Lanz“ ging es am Dienstagabend um die Folgen der Gasumlage und die Finanzierung der Krise. Kevin Kühnert hält eine Übergewinnsteuer für möglich, eine Ökonomin sieht praktische Hürden. Der Chef der Bundesnetzagentur weist den Vorwurf der Panikmache zurück.

 Markus Lanz diskutiert mit seinen Gästen am ersten Abendnach der Sommerpause im ZDF über die Gasumlage.

Markus Lanz diskutiert mit seinen Gästen am ersten Abendnach der Sommerpause im ZDF über die Gasumlage.

Foto: Screeenshot ZDF/Screenshot ZDF

Darum ging es

Gelingt es, mit der Gasumlage gerecht zu wirtschaften? Markus Lanz spricht am Abend im ZDF mit einer Journalistin, einem Politiker, einer Ökonomin und dem Chef der Bundesnetzagentur über die Krise in der Energieversorgung.

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Kerstin Münstermann, Leiterin des Berliner Parlamentsbüros der „Rheinischen Post“
  • Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur
  • Karen Pittel, Leiterin des Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen am ifo Institut

Der Talkverlauf

Bei Markus Lanz dreht sich die erste Sendung nach der Sommerpause im ZDF um die Gasumlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde, um die Kosten und soziale Gerechtigkeit. Zum Start allerdings nehmen sich die Gäste das Problem der Mehrwertsteuer vor, die auf die Gasumlage aufgeschlagen werden soll. Ein „Schnellschuss“ sei das möglicherweise, wertet Kerstin Münstermann, Leiterin des Berliner Parlamentsbüros der „Rheinischen Post“, und “handwerklich nicht ganz so sauber ausgedacht”. Kevin Kühnert räumt ein, da warte noch Arbeit um zu garantieren, dass “nicht am Ende diejenigen die Gelackmeierten sind, die die Mehrwertsteuer aufbringen müssen.”

Ökonomin Karen Pittel hält die Diskussion um die Mehrwertsteuer für unangemessen dominant. “Im Verhältnis zu den Gesamtmehrkosten, die auf Haushalte zukommen, ist das doch ein Tropfen auf heißen Stein”, sagt sie und fragt sich, ob man die Situation anders hätte finanzieren können, etwa aus allgemeinen Steuermitteln: “Ist es gerecht, nur die Gaskunden zu belasten?”

Gerechtigkeit bleibt ein zentrales Themen der Sendung. Die Gäste geben Beispiele dazu, was in den nächsten Monaten auf Gaskunden zukommt. Schon jetzt, rechnet Markus Lanz vor, gibt ein fünfköpfiger Haushalt dreimal soviel im Jahr für Gas aus wie im August 2021. Pittel kritisiert, viele der bisherigen Entlastungen, etwa das 9-Euro-Ticket seien wenig zielgenau gewesen. “Wenn die Folgen als Rechnung im Briefkasten liegen, sind der Krieg und die Auswirkungen angekommen”, sagt Münstermann und befürchtet, die angekündigten Entlastungen dürften bei vielen nicht ausreichen. Zwar versichere Bundeskanzler häufig keiner werde alleingelassen - “You’ll never walk alone” - aber die Frage, woher das Geld für die Entlastungen kommen solle, habe noch niemand so recht beantwortet.

Kühnert sieht eindeutig die großen Unternehmen in der Pflicht. Auch wenn der Bundeskanzler es noch nicht so eindeutig gesagt habe, hält der SPD-Generalsekretär eine Übergewinnsteuer für einen denkbaren Weg. Ökonomin Pittel sagt der meiste Unmut bestehe über die Gewinne von Öl- und Gasfirmen, aber: “Die kriegen wir kaum dran.” Viele Aspekte der Abgabe seien für sie völlig unklar. Wolle man etwa einem Unternehmen, das nur über Erneuerbare profitiert, deren “Gewinne wegsteuern”?

“Logisch dass zu Übergewinnsteuer viele Fragen offen sind”, räumt der SPD-Politiker ein, aber grade in Zeiten, in denen so viele knapsen müssten, “haben wir eine Verpflichtung etwas für das berechtigte Gerechtigkeitsempfinden in der Gesellschaft zu tun.” Er argumentiert Kühnert mit gesellschaftlichem Zusammenhalt und befürchtet soziale Spaltungen, wenn etwa die Mineralölkonzerne nicht stärker zur Kasse gebeten würden: "Wir sollten nicht darauf warten, dass Menschen mit Schildern auf die Straße gehen und sagen: Uns schröpft ihr, aber die Großen lasst ihr laufen."

Der Bundesnetzagenturchef mahnt weiter zum Sparen und zu technischen Heizoptimierungen in Haushalten. Lanz’ Vorwurf der “Panikmache" - weil die Gasspeicher doch schneller auf 75 Prozent gefüllt werden konnten als geplant - weist er zurück. “Um eine Mangellage in diesem und im nächsten Winter zu vermeiden, müssen wir Gas einsparen”, sagt Klaus Müller bestimmt. Dabei hätten Preise auch eine Wirkung, die sozial flankiert werden müssten. “Ohne russisches Gas würden die Speicher “gerade mal zweieinhalb Monate reichen”, sagt Müller und appelliert an die Politik: Maßnahmen, die Bürgerinnen und Bürger als sinnvoll erachten und verstehen, würden eher befolgt. Das habe die Erfahrung der Corona-Pandemie gezeigt. In Ökonomin Pittels Richtung sagt Müller: “Ich teile nicht die Schlussfolgerung, dass wir auf russisches Gas verzichten könnten. Auf absehbare Zeit ist das nicht der Fall.”


Zuletzt will Lanz noch wissen, wieso die Kohle nicht wieder schneller in den Energiemix gelangt, und wie es nun um die verbliebenen Atomkraftwerke steht. Münstermann kritisiert, Olaf Scholz hätte die Debatte um Atomkraft etwas klarer und positiver klingen lassen können. “Ich bin mir sicher, die Atomkraftwerke werden wenigstens eine kurze Zeitspanne weiterlaufen”, prognostiziert sie den Ausgang des zweiten Stresstests.

Kühnert berichtet von einem Besuch in Cottbus, wo ein Braunkohlewerk nun wieder zurück in die Zukunft gebracht werden soll, nachdem Personal- und Flächen-Entscheidungen den Betrieb gerade in Richtung Erneuerbare umstellen. Einfach sei diese Kehrtwende für viele Unternehmen nicht, denn: “Jetzt soll da auf laufender Strecke die Rolle rückwärts gemacht werden.” Klaus Müller kündigt derweil einen neuen Engpass an: Angesichts niedriger Flusspegel müsse Kohle voraussichtlich auf der Bahnlinien bevorzugt behandelt werden. Die nächste Lanz-Show zu Prioritäts-Problemen auf der Schiene könne er bereits erahnen.

(juju)
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